Schiffsmeldungen
beweglichen Gliedern glichen. Die Tante griff nach ihrem Lappen.
»Warum schaust du nächste Woche nicht mal in der Werkstatt vorbei? Lernst Dawn und Mavis kennen. Wir können auf einen Happen zu Skipper Will.«
»Gute Idee«, sagte Quoyle. Warf einen Blick auf Bunny, die ins Gestrüpp hinausstarrte. »Was siehst du da, Bunny?« Ihr grollender Blick.
»Wenn ich groß bin«, sagte Bunny, »wohne ich in einer roten Blockhütte und halte ein paar Schweine. Und ich werde sie nie wegen ihrem Schinken töten. Weil Schinken nämlich von Schweinen kommt, Dad. Das hat uns Beety gesagt. Und Dennis hat ein Schwein getötet, um den Schinken zu kriegen.«
»Tatsächlich?« Quoyle täuschte Erstaunen vor.
Dienstag, und Quoyle kam mit dem Artikel nicht vom Fleck. Er schob die Seite mit regenverschmierten Notizen über die Botterjacht unter seinen Papierstapel. Er war es gewöhnt, über Beschlüsse, Abstimmungen, Protokolle, Statuten, Tages-ordnungen, mit politischen Verzierungen versehene Erklärungen zu berichten. Konnte das polierte Holz der Tough Baby nicht beschreiben. Wie sollte er die Bösartigkeit der Melvilles zu Papier bringen? Bunny ging ihm durch den Kopf. Das An-der-Tür-Kratzen in der alten Küche. Er schob seine Papiere zusammen, schaute immer wieder auf die Uhr. Wollte in die Stadt und einen Blick auf die Werkstatt der Tante werfen. Wollte mit ihr über Bunny reden. Ob da ein Problem war oder nicht. Und außerdem war der unersättliche Quoyle am Verhungern.
Ehe er den Kombi anließ, kam ihm die große Frau in den Sinn, Wavey. Er suchte mit dem Blick die Straße in beiden Richtungen ab, ob sie unterwegs war. Manchmal ging sie mittags zur Schule. Er dachte, vielleicht um im Speisesaal auszuhelfen. Sah sie nicht. Aber als er die Anhöhe erreichte und Jacks Haus in Sicht kam, war sie da, schritt aus und schlenkerte eine Segeltuchtasche. Er fuhr heran, froh, daß sie allein war, daß er auch allein war.
Um Bücher ging es: Sie arbeite zweimal in der Woche in der Schulbibliothek, sagte sie. Ihre Stimme leicht heiser. Sie saß gerade, die Füße ordentlich nebeneinander. Sie sahen einander auf die Hände, ein Beweis für den Hang der Augen zum Ringfinger; beide sahen Gold. Wußten voneinander wenigstens eines.
Schweigen, nach und nach das Meer. Ein Skiff und ein schaukelndes Dory, Männer, die sich herausbeugten, um eine Dorschfalle wieder auszusetzen. Quoyle schaute zur Seite, sah ihren blassen Mund, Hals, Augen irgendwo zwischen Flaschengrün und Erdfarben. Rauhe Hände. Nicht ganz jung; ging auf die Vierzig zu. Doch dieses Gefühl von Einklang mit etwas, was auch immer, der Zeit oder dem Ort. Er wußte es nicht, spürte es aber. Sie wandte den Kopf, ertappte ihn beim Schauen. Die Augen schnellten rasch wieder weg. Aber beide waren erfreut.
»Ich habe eine Tochter, die diesen Herbst in die erste Klasse kommt. Bunny. Sie heißt Bunny. Meine kleine Tochter heißt Sunshine, geht zu Beety Buggit, wenn ich in der Arbeit bin.« Er dachte, er müsse etwas sagen. Räusperte sich.
»Das hab’ ich gehört.« Ihre Stimme so ruhig. Als redete sie mit sich selbst.
An der Einfahrt zur Schule stieg sie halb aus, murmelte etwas, das Quoyle nicht verstand, schritt dann davon. Vielleicht hieß es: Danke. Vielleicht hieß es: Schauen Sie mal auf eine Tasse Tee vorbei. Ihre Hände schwangen mit. Sie blieb einen Moment stehen, nahm ein weißes zerknülltes Taschentuch aus ihrer Manteltasche, schneuzte sich. Immer noch saß Quoyle da. Sah zu, wie sie die Schultreppe hinauf- und durch die Tür hineinrannte. Was war mit ihm los?
Allein zu sehen, wie sie ging, eine große Frau, die meilenweit ging. Und Petal war nie gegangen, wenn sie fahren konnte. Oder liegen.
15
Die Polstererwerkstatt
Die Knoten des Polsterers sind der Halbe Stek, der Slipstek, Zwei Halbe Schläge und der Büschelknoten.
Die Werkstatt der Tante lag in der Gasse hinter der Wharf Road. Ein ockerfarbenes Holzhaus mit Holzverzierungen und schwarzen Fensterläden. Quoyle gefiel die Ladenzeile, vom Wind geschützt, doch nahe am Kai. Die Fenster diffus, altes Glas. Als er die Tür öffnete, läutete eine Glocke. Die Tante, die einen Kordelsaum an einem ausgestopften Polster an-brachte, schaute auf. Die gekrümmte Nadel blieb mitten im Musselin stecken.
»Da bist du ja«, sagte sie. Blickte um sich, als würde sie die Werkstatt selbst zum erstenmal sehen.
An einer Nähmaschine saß eine Frau mit Emily-Dickinson-Frisur, über den Ohren gekringeltes und durch
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