Schiffsmeldungen
bot verrückte Geschichten, die ineinander übergingen, ohne jemals zu enden.
Das Tischtuch war mit einem Muster aus Trompeten und Seifenblasen bedruckt. Dennis sagte, er sei empört; sein Kumpel Carl sei an der Straße oben nach Bone Hill in eine Baugrube gefahren. Er habe sich fast den Hals gebrochen und liege im Krankenhaus. Beety stellte Untertassen mit Dosen-aprikosen vor die Kinder. Bunny hob ihren Löffel, legte ihn wieder hin.
»Sieht so aus, als wär’ er gezeichnet. Er ist der, der vor acht, neun Jahren einen Schrecken bekam. Daß seine Haare binnen eines Monats weiß wurden. Er war nämlich beim Fischen draußen, mit seinem Bruder in der Nähe des Kessels, und sieht dieses schlaffe, alte Ding im Wasser liegen. Dachte, es wär’ ein Geisternetz, weißt du, eins, das sich losgerissen hat und an die Oberfläche gekommen is’. Also fahren sie hin, er stochert mit seinem Haken dran rum, und, guter Gott, am Morgen, da kommt dieser riesengroße Fangarm aus dem Wasser« – Dennis hielt seinen Arm über den Kopf, die Hand gekrümmt und bedrohlich – »und packt ihn. Wickelt sich um seinen Arm. Er sagt, so was Starkes hat man noch nie erlebt. Tja, zum Glück für ihn war er nicht allein. Sein Bruder schnappt sich das Messer, das er zum Kabeljauschneiden benutzt, und beginnt, an dem klammernden Fangarm herumzusäbeln, alles Muskeln, und die Saugnäpfe klebten so eng, daß fürchterliche Male zurückblieben. Aber er schnitt ihn durch und setzte den Motor in Gang, während ihm das Herz fast aus dem Leib sprang, weil er jeden Augenblick damit rechnete, daß die anderen Fangarme auf seiner Schulter landeten. Sie kamen da raus. Die Universität zahlte ihnen Geld für den abgeschnittenen Fangarm. Und jetzt bricht er sich fast den Hals, weil er in einen Straßengraben fährt. Was soll das bloß!«
Bunny stand auf und wisperte Beety etwas zu, holte den Schinken aus dem Kühlschrank, um ihn Quoyle zu zeigen. Der berühmte Schinken von dem Schwein, das Dennis getötet hatte. Quoyle sperrte die Augen auf und zog die Brauen hoch, um Bunny zu zeigen, daß er tief beeindruckt war. Hörte aber Dennis zu.
»Von Dad habe ich nie was übers Fischen gelernt. Er liebt das Fischen – aber er liebt es für sich allein. Er versuchte, mich davon abzuhalten, versuchte, uns alle vom Wasser fernzuhalten. Es hatte bloß die Wirkung, daß Jesson sich Onkel Gordons Leuten anschloß und ich dauernd auf dem Wasser sein wollte. Ach, Zimmermann wollte ich zwar schon werden, das ja, aber fischen wollte ich auch«, fuhr er verträumt fort. »Is’ schon das Richtige. Es hat was, was sich nicht beschreiben läßt, so, als würdest du, jedesmal wenn du das Netz hoch-ziehst, ein Geschenk auspacken. Du weißt nie, was drin ist, ob es dich reich macht oder ob du eine Strafe dafür blechen mußt, Seeskorpione oder Kleinhaie. Ich wollte also fischen. Weil die Buggits alle Wasserratten sind, weißt du. Alle von uns. Sogar die Mädels. Marge ist Segellehrerin in Ontario. Eva ist Organisationschefin auf einem Kreuzfahrtschiff. Ach, uns kannst du nicht von Booten fernhalten. Aber Dad hat’s bis zum Gehtnichtmehr probiert.«
»Er hatte Angst um euch.«
»Ja, das auch. Und es ist, als wüßte er was, als wüßte er was über die Buggits und die See. Dad hat die Gabe. Er wußte es, als Jessons Boot unterging, genauso wie er wußte, wo er mich zu suchen hatte, als die Polar Grinder havarierte. Die Zeit mit dem armen Jesson werd’ ich nie vergessen. Weißt du, Jesson war Mamas Liebling. War’s immer, vom Tag seiner Geburt an.«
Quoyle wußte, wie das war.
»Ganz plötzlich stand Dad vom Tisch auf. Er hatte dort neben dem Kurzwellensender gesessen, wir hatten alle dort gesessen, und er sagte: ›Jesson ist nicht mehr unter uns‹, und ging über die Straße in seine Werkstatt – wo jetzt das Büro vom Gammy Bird ist – und blieb dort die ganze Nacht allein. In der Nacht gab’s Nordlichter, so schön, daß man’s kaum glauben konnte, die farbigen Streifen schossen daher, es war wie Spinnweben. Und am Morgen, da waren diese, na ja, diese Silberfäden auf allem, Takelagen, Häusern, Telefonleitungen. Mußten von den Nordlichtern stammen. Und Mutter sagte, es wär’ Jessons Werk, als er seinen irdischen Leib verließ.«
»Nach Jesson fing er mit der Zeitung an, stimmt’s?«
»So ungefähr. Aber weißt du, Dad leitet den Gammy Bird gar nicht richtig, das macht Tert Card. Die Zeitung gibt’s zwar, weißt du, und er hat sie gegründet, er entscheidet
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