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Schiffstagebuch

Schiffstagebuch

Titel: Schiffstagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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portugiesische Seefahrer hier hatte einen Kompaß bei sich, der ihn völlig verwirrte, weil die
     Nadel ohne ein einziges Grad magnetischer Mißweisung schnurgerade nach Norden zeigte, und das galt nicht nur für diesen einen Kompaß, was den Namen
     erklärt: Cabo Agulhas, Kap der Nadeln. Hier stößt das warme Wasser des Indischen Ozeans auf das viel kältere des Atlantiks, und das bringt beide in
     Aufruhr. Im Süden fließt der warme Agulhasstrom an der ostafrikanischen Küste entlang und prallt dann in den Indischen Ozean zurück, wobei sich Teile des
     Mahlstroms abschnüren, Wirbel, die er in den Atlantik schwemmt – die sogenannten Agulhasringe – und die große Mengen salziges und warmes Wasser mitführen. Ruhe herrscht dort folglich nie, es ist ein aufgewühltes Seemannsgrab mit bis zu dreißig Meter hohen Wellen und einer langen Totenliste an Wracks. Die heftigen Winde, die zum vierzigsten Breitengrad gehören, rasen von West nach Ost in die gleiche Richtung wie der Polarstrom, mit dem sie auf den viel wärmeren Agulhasstrom prallen, und wenn das geschieht, ist der Teufel los, um so gefährlicher, als das Wasser flach ist und voller Felsen, ein Unterwasser-Afrika, das sich südlich des Kaps noch zweihundert Kilometer weit fortsetzt, bis es sich mit einem Steilabhang plötzlich verabschiedet. In Seemannsgeschichten ist das so harmlos aussehende Kap Agulhas mit seinem eher sanften Küstenverlauf deshalb der schroffe Konkurrent von Kap Hoorn, das hoch und dramatisch aus dem Ozean aufragt. Am Tag, als ich Kap Agulhas besuche, ist es ruhig.
    Hermanus
    Ich sitze zufrieden da und blicke in Richtung des unsichtbarenSüdpols, zusammen mit einer rührend kleinen weißen Möwe mit schwarzen Oberflügeldecken, die auf einer hauchdünnen Felsenspitze das Kap bewacht, und gemeinsam lauschen wir einem Idioten, der sich das dramatische Ende eines Kontinents dazu ausgesucht hat, durch sein Mobiltelefon die Stille zu stören. Weiße riffartige Felsen, die wie gemeine Zähne aus dem Wasser ragen, so sieht das Ende Afrikas aus, und plötzlich habe ich das Gefühl, diesen ganzen unruhigen Erdteil im Rücken zu haben, mit Darfur und dem Tschad, den Stammeskämpfen in Kenia und dem Krieg im Kongo, den Pyramiden und dem Kilimandscharo, dem Urwald und den Wüsten. Das Meer vor mir ist grün, wenngleich nicht wie Smaragd, U is nou op die mees suidelike punt van die Kaap (Sie befinden sich jetzt am südlichsten Punkt des Kaps), steht da, doch als ich später auf einem alten vergilbten Globus den nördlichsten Punkt suche, sehe ich, daß er in der Nähe des früheren Karthago liegen muß, wo Afrika Sizilien küßt und von wo aus Hannibal einst aufbrach, eine Welt zu erobern, die auf dieser Erdkugel neben dem gewaltigen Koloß Afrika plötzlich sehr klein und nichtig aussieht.
     
    VI. Elim. Jemand hat mir von einer ehemaligen deutschen Missionsstation erzählt, von einem stillen Dorf, einer schönen Kirche, gelegen in der Nähe eines Hügels namens Geelkop (Gelbkopf ), nicht weit entfernt vom Soetmuisberg (Süßmausberg) und von einem Fluß namens Grashoek (Graswinkel), doch als ich dort ankomme, treffe ich auf kein richtiges Dorf, sondern eine freie Fläche mit ein paar weit auseinanderliegenden Gebäuden. Ich sehe einen kleinen Kramladen, ein Denkmal, bestehend aus einem Sockel, einem spitzen Obelisken und darauf einem Ball,alles weiß verputzt, und zwar so blendend weiß, daß es in den Augen schmerzt.
    Der Boden dürr, spärliches Gras, das umliegende Land weit, sie müssen diesen Fleck inmitten der Leere sorgfältig ausgesucht haben, denn genau hierher kamen sie unter einem grellblauen Himmel, die Herrnhuter, um eine Missionsstation für die Armen aufzubauen. Man schreibt das Jahr 1824, vierzehn Jahre später werden die Sklaven befreit, die Bevölkerung Elims wächst rasch auf über siebenhundert an. 1722 hatte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf auf seinem Gut in Sachsen die Brüdergemeine Herrnhut (»unter der Obhut des Herrn«) ins Leben gerufen, seine geistigen Nachfahren, wie er von Heimweh nach einem früheren Christentum, frei von dogmatischen Kämpfen, erfüllt, zogen in alle Welt und gründeten überall weitere Brüdergemeinen. Eine von ihnen war Elim. Das Wort bedeutet Oase, und etwas davon ist noch zu spüren, als ich in die Kirche trete. Die Tür steht weit offen, ich bin allein.
    Es dürfte die weißeste Kirche sein, die ich je gesehen habe, automatisch trete ich leiser auf, denn hier ist die Zeitmaschine am

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