Schiffstagebuch
ausgestorbenen Quagga, einer Art ockerfarbigem Zebra ohne Streifen, nach Bogenschützen und anderen Jägern und
währenddessen hoffen, einen dassie oder hyrax (Klippschliefer) zu Gesicht zu bekommen, ein kleines Nagetier, das die Wüste bewacht. Der
Trail beginnt jenseits der Straße. Die anderen machen es sich derweil im Häuschen bequem, plötzlich ist die Stille überwältigend. Keine Vögel, keine
anderen Menschen, nur die Fotografin und ich, unsere Schritte auf den Felsen und im groben Sand. Ich will an jedem Felsen eine Malerei erkennen, doch so
schnell geben sie sich nicht preis, die Wanderung dauert Stunden. Das Flußbett ist ausgetrocknet, der Schlamm gesprungen, ausgelaugte Wasserpflanzen und weiße Steine erzählen von der Hitze.
Sevilla Trail
Dann sehe ich die ersten Gestalten, schmal, hieratisch gezeichnet, Menschen unterwegs mit Pfeil und Bogen, rot, schwarz, in Jahrtausenden verwittert,
manchmal kaum erkennbar. Es ist, als habe jemand sein Testament gezeichnet, ein Manifest, das über all die Jahrhunderte hinweg von diesen Felswänden seine
Botschaft verkündet: Du kennst uns nicht, doch dies war unsere Welt, hier haben wir gelebt und gejagt, wir haben uns selbst gezeichnet, dieses wilde Land,
durch das du nur flüchtig streifst, war unser Kosmos, so hat es ausgesehen. Ein Gemsbock, ein Fohlen, ein Jäger, hier und da auch reptilienartige
Ungeheuer, die etwas bedeutet haben, das du nicht mehr herausfindenkannst. Unsere Sprache kannst du nicht hören, wir waren die Koi und
die San, doch unser Bildnis haben wir hinterlassen, so daß du über uns nachdenken mußt, dies ist der Abdruck unserer Hände, mit denen wir diese
Zeichnungen angefertigt haben. Ich schaue und lausche den Zeichen in der Stille, zuweilen sind es ganze Gruppen im Gänsemarsch, leicht vorgebeugt, so daß
man fast meinen könnte, sie bewegten sich in ihren verwischten mennigeartigen Farben, der Farbe getrockneten Bluts. Durch das Geheimnisvolle der
Landschaft scheint es nun auch so, als hörte ich sie sprechen, die leisen Laute einer unverständlichen, von der Zeit gelöschten Sprache.
Sevilla Trail
Am Abend zeigt sich der Vollmond. Zuerst ist alles grau geworden, die Farben verblassen an den Felsen und den wenigen, kümmerlichen Mandelbäumen, jemand von uns hat eine CD im Autoradio eingelegt, der Klang einer Frauenstimme breitet sich über der Ebene aus, das einzige Licht kommt von fern, vom Traveller‘s Rest, in einem Steinwall haben wir ein Feuer angezündet, um das Fleisch zu braten, es lodert hoch und wild auf, so daß wir schon fürchten, das Land in Brand zu setzen, doch dann wird es kleiner, zieht sich in sich zusammen, bis nur noch glühende Asche übrig ist, in der wir die großen Fleischstücke rösten. Keinem ist nach Reden zumute, der Himmel wird mit Sternen beschrieben, und ich denke an die jetzt unsichtbaren Zeichnungen von Bogenschützen und Tänzern, die für dieselben Sterne andere Namen hatten, Namen, die sie auf ihrem Weg durch die Zeit mitgenommen haben.
VIII. Matjiesfontein. Mitten im Nichts und Nirgendwo liegt Matjiesfontein. »Nichts« sollte ich nicht sagen, dennim Nichts kann man nicht gehen, und dennoch habe ich das getan. Zunächst folge ich den Bahngleisen. Die Schienen glänzen, und das tun sie nicht, wenn auf ihnen keine Züge mehr fahren. Und Züge fahren nicht durchs Nichts. Also streichen wir das. Und auch der Pfad, den ich nun wähle, ist konkret: trockener Boden mit harten, scharfkantigen Steinen.
Einfriedungen – um Nichts würde man auch keine Zäune aufstellen. Harte, niedrigwüchsige Pflanzen und Sträucher, deren Namen ich gern wüßte, Land bis zum Horizont. Ich bin nicht der einzige, der an Nichts gedacht hat, denn nach einstündigem Fußmarsch komme ich zu einem mit Stacheldraht versperrten Tor, auf dem Verloren Vlei steht, Verlorenes Tal. Der Name paßt, und der Weg hört hier auf. Warum weicht man von seiner Route ab? Wegen einer Geschichte. Inmitten des Nichts soll ein Dorf liegen, und in diesem Dorf ein Hotel und ein Bahnhof. Wer dorthin fährt, ist gewarnt, und darin besteht der Reiz. Das Leben setzt hier vorübergehend aus, manchen gefällt das.
Dorf ist übertrieben, ein paar staubige Straßen, falls hier jemand wohnt, läßt er sich nicht blicken. Eine tote Tankstelle mit einer Handpumpe, the red line indicates the exact measure . Das Hotel ist gigantisch, es gehört in eine Großstadt. Viktorianisch, als habe man es soeben aus dem London des
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