Schilf im Sommerwind
Kopf. »Ich finde, das ist keine gute Idee. Außerdem glaube ich, dass sie nicht wollen.«
»Aber warum denn nicht?«
»Ihnen ist die Lust am Segeln vergangen.« Danas Mutter beschwor den Gedanken an das andere Boot herauf, das Mark gekauft und umgebaut hatte und das in jener verhängnisvollen mondhellen Nacht im Juli im Sund untergegangen war.
»Es ist traurig, es hier herumstehen zu sehen.« Dana strich mit der Hand über die Reling, um das Bild in ihrem Kopf zu vertreiben. »Hat Lily es oft benutzt?«
»Früher schon. Ziemlich oft sogar. Sie hat den Mädchen das Segeln auf eurem Boot beigebracht, war sehr stolz darauf, wie geschickt sich Quinn dabei anstellte …«
»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.« Dana sah Lily beim Segeln vor sich, damals, als sie in Quinns Alter war.
»Aber im letzten Jahr nur selten. Mark hatte das große Boot gekauft, und Lily ging oft mit ihm alleine zum Segeln. Abgesehen davon macht ein Haus ziemlich viel Arbeit, wenn man es in Schuss halten will, und die Arbeit übernahm sie.«
»In Schuss halten …«
»Nachdem ich mir den Hüftknochen gebrochen hatte, wurde es mir zu viel, mich um Haus und Garten zu kümmern«, sagte Martha Underhill. Sie lehnte sich an die Wand und beobachtete Danas Mienenspiel. »Selbst die Treppen rauf- und runterzusteigen kostete mich große Anstrengung. Deshalb beschloss ich, Lily, Mark und den Mädchen das Haus zu vermachen.«
»Und sie wohnten gerne hier.«
»Ja, das stimmt. Ich hatte immer Angst, du könntest mir deswegen heimlich grollen oder meinen, ich würde deine Schwester bevorzugen.«
»Der Gedanke ist mir nie gekommen.« Danas Herz klopfte, und ihr wurde klar, dass es unbewusst vielleicht doch so gewesen war.
»Du hast dir dein eigenes Leben geschaffen. Malen, reisen … Du warst der Freigeist in unserer Familie. Lily und ich wünschten uns oft, dass du endlich nach Hause zurückkehrst und sesshaft wirst, aber schließlich gewöhnten wir uns an deine Lebensweise. Deine Besuche ein oder zwei Mal im Jahr mussten uns genügen. Die im Übrigen seltener wurden, als du dich in Jonathan verliebt hattest. Ich bildete mir ein, dass du weniger an dem Haus hängst als Lily.«
Dana nickte. Der Holzschuppen war eiskalt und dunkel, und sie schlang die Arme um sich und dachte, was sie sich mit der Liebe zu Jonathan letztendlich eingebrockt hatte.
»War das so?«
»Ja, Mom.« Dana lächelte.
»Ich weiß, dass du die Mädchen liebst.« Marthas Stimme sank um eine Oktave. »Deshalb hat dich Lily zu ihrem Vormund bestimmt.«
Dana nickte, hätte ihre Mutter gerne umarmt.
»Sie haben viel durchgemacht. Mein Gott, Dana. Willst du sie wirklich aus ihrer vertrauten Umgebung reißen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Wie kannst du auch nur daran denken? Hier hast du malen gelernt – in Hubbard’s Point. Es ist mir unbegreiflich, warum du jetzt nicht hier bleiben und arbeiten kannst.«
»Du glaubst, mir ginge es nur ums Malen?« Dana spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich.
»Malen oder Jonathan.«
»Mit Jonathan hat das nichts zu tun.« Danas Körper versteifte sich. »Das Kapitel ist abgeschlossen.«
»Dann eben die Malerei.« Martha blickte sich im Schuppen um, ohne näher auf die Trennung einzugehen; sie hatte von Dana ohnehin nichts anderes erwartet. Ihre Beziehungen waren nie von langer Dauer gewesen, und ihre Familie hatte aufgehört, sich Hoffnungen zu machen. Alle wussten, dass die Malerei in ihrem Leben einen höheren Stellenwert einnahm als die Menschen – sie selbst eingeschlossen. »Deine Bilder haben riesige Ausmaße. Sie würden kaum durch unsere Tür passen. Aber in diesem Punkt ließe sich Abhilfe schaffen. Zum Beispiel könnten wir ein Atelier bauen, oder auch diesen Holzschuppen renovieren und von Paul Nichols ein großes Oberlicht einsetzen lassen!«
Dana bekam kaum noch Luft. Hatte ihre Mutter nicht bemerkt, wie sie in der Black Hall Gallery umhergeirrt war, unfähig, ihre Bilder auch nur anzusehen? Die Ausstellung war der reinste Hohn, so kam es ihr zumindest vor. Alle dachten, sie hätten neuere Werke vor sich, während des letzten Jahres entstanden, aber davon konnte keine Rede sein. Sie waren uralt, eingelagert gewesen, aber alles, was sie vorzuweisen vermochte. Sie hatte nicht vor, darüber zu sprechen, mit niemandem, aber sie konnte nicht mehr malen. Seit Lilys Tod war sie dazu nicht mehr im Stande gewesen.
»Es hat nichts mit den Räumlichkeiten zu tun«, sagte Dana.
»Dann eben mit deinem Modell. Ich habe
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