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Schilf im Sommerwind

Schilf im Sommerwind

Titel: Schilf im Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wie nahe sich die Schwestern gestanden hatten; er wusste es aus eigener Erfahrung, weil er das Gleiche für Joe empfand.
    »Ach Sam«, sagte sie schließlich. Ihre Stimme hatte einen Klang, den er nicht zu deuten vermochte – Tränen? Ein Lächeln? Kummer? »Besser nicht.«
    »Nein?«
    »Ich wünschte, ich könnte weg. Es ist sehr lieb von dir, mich einzuladen. Aber ich habe noch alle Hände voll zu tun, und wir fliegen schon am Donnerstag nach Honfleur.«
    »Ich weiß. Ich hatte gehofft, dich vorher noch einmal zu sehen. Um Lebewohl zu sagen.«
    Sie schwieg erneut, schien darüber nachzudenken.
    »Du hast mir viel bedeutet«, sagte er mit belegter Stimme. »Du und Lily. Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.«
    Sie murmelte etwas, zu undeutlich, um es zu verstehen.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich glaube, das kann sich niemand vorstellen«, erwiderte sie und legte leise auf.
     
    Augusta Renwick schaukelte in ihrem Stuhl, blickte über den Sund. Dort drüben, im Osten, befand sich die Stelle, an der Joe das alte Schiffswrack ausgegraben hatte. Sie konnte das Forschungsschiff, die
Meteor,
direkt vor sich sehen und wünschte, es würde mit Joe und ihrer Tochter Caroline an Bord nach Hause zurücksegeln. Aber sie waren in der Türkei, auf Schatzsuche im Bosporus, und deshalb freute sie sich besonders über Sams Besuch.
    Seine Stimme erklang durch die geöffnete Tür, gut gelaunt und leise. Was für ein wunderbarer Mann Sam doch war, mit einem so ungemein liebenswürdigen, einnehmenden Wesen. Und wie reif er in den letzten beiden Jahren geworden war – seit er die Lehrtätigkeit in Yale angenommen hatte und aus dem offenbar lähmenden Schatten seines älteren Bruders herausgetreten war.
    Als Augusta am Klicken hörte, dass Sam den Hörer auflegte, biss sie sich auf die Lippe. Ihre Finger wanderten zu den schwarzen Perlen, berührten jede einzelne, als enthielten sie ein Körnchen Weisheit. »Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«, sagte eine. »Er muss seinen eigenen Weg finden«, mahnte eine andere. »Misch dich nicht ein«, erklärte die dritte. Trotz ihres hohen Alters lernte Augusta immer noch etwas dazu, wenn es um mütterliches Verhalten ging.
    Doch da Sam rein biologisch nicht ihr Kind war, hatte sie den nötigen emotionalen Abstand. Während sie beobachtete, wie sich die Wellen an den Sandbänken von Firefly Beach brachen, räusperte sie sich und richtete sich kerzengerade auf.
    »Und, was hat sie gesagt?«, verlangte Augusta zu wissen, als er ins Freie trat.
    »Sie kann heute Abend nicht mit mir essen gehen.«
    »Wieso nicht? Jeder Mensch muss zu Abend essen – und eine Malerin wie sie braucht besonders viel Kraft, ganz zu schweigen von einer Frau, die Kinder betreut.«
    »Vermutlich hat sie andere Pläne«, erwiderte Sam lachend, während der Wind ihm die Haare ins Gesicht blies. Augusta wünschte, er würde die Brille absetzen. Sie verlieh ihm ein allzu intellektuelles Aussehen, und sie wusste, dass Dana Underhill dahinschmelzen würde, wenn sie in Sams grün-goldene Augen blickte und erkannte, wie viel Herz und Seele dieser Mann besaß.
    »Junger Mann, du bist viel zu sanftmütig und verständnisvoll«, erwiderte Augusta kopfschüttelnd.
    »Was hätte ich denn machen sollen, Augusta? Ihr sagen, dass ich trotzdem aufkreuze, auch wenn es ihr nicht passt?«
    »Genau das hätte Hugh getan«, sagte sie, an ihren verstorbenen Mann denkend. »Und dein Bruder Joe.«
    Daraufhin verstummte Sam. Er nahm im Schaukelstuhl neben ihr Platz, und sie wippten einträchtig vor und zurück. Augusta sah seine angespannte Miene, und es brach ihr das Herz. Sam war nicht wie Hugh oder Joe. Er verfügte über die gleiche innere Stärke, aber er hatte eine viel sanftere Art. Augusta ertrug es nicht, seine Enttäuschung mit anzusehen, aber sie würde auch nicht tatenlos zuschauen, wie er seine Chance verpasste.
    »Du magst sie, oder?«
    »Ja.« Als er zu ihr hinüberspähte, war das Jungenhafte aus seinen Augen verschwunden. Sein Gesicht war von Wind und Wetter gegerbt, mit Kummerfalten rund um den Mund. »Du durchschaust mich offenbar. Ich bin gekommen, um dich zu besuchen, das stimmt, aber ich möchte sie ebenfalls sehen. Ich konnte sie in all den Jahren nie vergessen, sie geht mir bis heute nicht aus dem Kopf.«
    »Genau wie bei Joe.« Augusta streckte den Arm aus und ergriff Sams Hand. »Er hat Caroline auch nicht vergessen können. Diese Anhänglichkeit, oder sagen wir besser lebenslange Liebe, muss in eurer

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