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Schillerhoehe

Schillerhoehe

Titel: Schillerhoehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Schaewen
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den Durchgang besitzen. Der Gang führte in die Kammer, in der die wichtigsten Handschriften aufbe­ wahrt werden. Außerdem gab es einen Safe mit den persönlichen Gegenständen aus dem Hause Schiller. Dollinger liebte es, prominente Besucher in die Kam­ mer zu führen und ihnen kleine Anekdoten aus dem Leben des Dichters zu erzählen.
      Der Kommissar war zwar kein Prominenter, er ließ sich aber trotzdem die Kammer zeigen. Er wollte die wichtigsten Gegenstände, wie etwa Schillers Toten­ maske, sehen. Ihn interessierte, warum Dietmar Scharf nachts in die Handschriftenabteilung gegangen war. Er musste von dem Besitzer eines Schlüssels dorthin geführt worden sein – oder er hatte Schlösser aufgebro­ chen. Darauf deutete bis jetzt aber nichts hin. Struve bat Dollinger um eine Liste mit den Namen der Per­ sonen, die einen Schlüssel besitzen.
      Auf dem Weg zum Parkplatz klingelte sein Handy. Es war Littmann.
      »Na endlich, Struve, was ist mit Ihrem Handy los?«
      »Sie Scherzbold, erst schicken Sie mich in einen Kel­ ler, und dann beschweren Sie sich auch noch, dass Sie mich dort nicht anrufen können.«
      »Konnte ja nicht wissen, dass es Ihnen da unten so gut gefällt. Wie läufts denn so?«
      »Gut, ich hatte einen Pullover dabei.«
      »Hervorragend, und sonst?«
      »Noch nicht viel Neues. Es gibt eine Liste mit Per­ sonen, die einen Schlüssel für den Durchgang haben. Der Direktor lässt sie Ihnen durchfaxen. Setzen Sie ein paar Leute darauf an, die Alibis zu checken, wenn die Tatzeit feststeht.«
      »Okay, Struve. Jetzt hab ich noch eine Neuigkeit für Sie. Der Alte meint, Sie allein kommen mit dem Fall nicht klar.« Wieder kicherte Littmann vergnügt. »Er schickt Ihnen noch jemanden zur Verstärkung. Der Name lautet Förster oder so ähnlich.«
      Struve wusste, dass Littmann solche Seitenhiebe aus­ kostete. Seitdem Struve vor wenigen Wochen vor ver­ sammelter Mannschaft eine seiner oft sehr gewagten Hypothesen widerlegt hatte, gestaltete sich das Mit­ einander besonders schwierig. Dass der Polizeipräsi­ dent ihm einen Kollegen zur Seite stellte, überraschte Struve indes kaum. Es war völlig normal, bei einem Mord mit zwei Leuten zu ermitteln. Das galt auch für die Außenbezirke Marbach und Bietigheim, wo sich selten schwere Verbrechen ereigneten.
      »Wo wir gerade bei Namen sind, Littmann. Haben Sie eigentlich schon mal was von Wilhelm Tell gehört?«
      »Tell? Na klar. Aber jetzt kommen Sie mir nicht mit den alten Schinken vom Schiller. Ich mags eher span­ nend, Mankell und andere aus dem Norden, die lese ich gern. Wieso fragen Sie mich das?«
      »Ach, nur so. Da lag ein Apfel am Tatort. Müsste ein Elstar sein. Die Jungs von der Spurensicherung sollten sich ihn mal anschauen. Vielleicht reicht es ja für eine DNA. Aber nicht aufessen, ja?«
      Der Kommissar stand jetzt an seinem Wagen. Er schaute sich das Schillermuseum an. Ein Prachtbau, der erst kürzlich renoviert worden war und jetzt mit einer hellen weißen Fassade die Blicke auf sich zog. Struve überlegte, ob Dollinger verdächtig war. Seine Überraschung hatte nicht gespielt gewirkt, aber irgendetwas an ihm erschien ihm zwielichtig. Struve hatte schon viele Berufsjahre auf dem Buckel. Er wusste zwischen Antipathie und einem Gefühl für kriminelles Potenzial zu unterscheiden. Er nahm sich vor, den Direktor im Blick zu behalten. Außer­ dem beschloss er, nach vielen Jahren mal wieder zu Schillers Werken zu greifen. Soweit er sich erinnerte, lagerte Wilhelm Tell als kleines gelbes Heftchen auf seinem Dachboden.

    5

    Die Golfstunde am Samstagmorgen ließ der Bürger­ meister Norbert Rieker so gut wie nie ausfallen. Er brauchte einen Ausgleich für die vielen Stunden im Büro. Auf der Anlage in der Nähe des Kernkraftwerks Neckarwestheim traf er sich auch an diesem Morgen mit Gustav Zorn, dem Redaktionsleiter des Marbacher Kurier. Rieker selbst machte sich nicht viel aus Golf, aber er hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit Erkun­ digungen über die bevorzugten Hobbys wichtiger Per­ sönlichkeiten in der Stadt eingeholt. Zorn galt eher als passives Mitglied, er war damals erst seit zwei Jahren im Golfklub. Man vermutete, dass der völlig unsportlich wirkende Zeitungsmann auf diese Weise Kontakte pfle­ gen wollte. Das hatte auch Rieker vor, der den Redak­ tionsleiter schnell zum festen Trainingspartner erkor, damit man sich die Bälle auch außerhalb der Golfan­ lage zuspielen konnte.

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