Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
lesend.
Ich hoffte es.
Anette umarmte mich und fragte, ob sie noch etwas für mich tun könne. Ich verneinte und dankte ihr für ihre Unterstützung. Ohne sie wäre ich hilflos gewesen. Wir sahen uns lange an und waren uns bewusst, dass unsere tiefe Freundschaft noch inniger geworden war.
Dann beschloss sie, zu Bett zu gehen, und fragte mich, ob sie mich auch wirklich mit Jack allein lassen könne. Ich bejahte und erklärte, dass sich meine panische Angst plötzlich in Luft aufgelöst habe und ich ganz sicher sei, dass jetzt alles gut werden würde. Obwohl ich keine Ahnung hatte, woher ich diese Zuversicht nahm. Anette vermutete, das läge wohl an dieser seltsamen Energie, die mich durchströmt hatte, und ich solle den Zustand so lange wie möglich genießen, denn mit meiner Angst könnte ich ihm sowieso nicht helfen. Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie ging.
Ich kuschelte mich zu Jack unter die Decke. Er war noch immer heiß, und ich konnte seiner Brust nicht ansehen, ob er überhaupt atmete. Doch ich konnte jetzt nichts anderes tun als warten. Meine rechte Hand ruhte auf seinem Herz, und ich ließ so viel Energie in ihn strömen, wie ich konnte, und irgendwann schlief ich darüber ein.
Als ich erwachte, lag Jack noch genauso neben mir wie am Abend. Nur sein Gesicht hatte sich verändert. Er hatte mittlerweile einen Dreitagebart, und seine Hautfarbe wirkte nicht mehr so grau und dem Tode nahe. Dennoch besorgt, forschte ich nach seinem Puls und war unendlich erleichtert, als ich ihn sofort fand. Er war zwar langsam, aber endlich wieder regelmäßig.
Ich nahm seine Hand und küsste sie. Er lebte noch, und in mir keimte die Hoffnung auf, dass er es jetzt geschafft hatte. Plötzlich spürte ich einen sanften Druck an meiner Hand. Dann etwas fester, ja, ich war ganz sicher, er hatte meine Hand gedrückt.
„Jack?“
Er drückte wieder zu.
Ich begann zu weinen und umklammerte seinen Brustkorb. Dann wischte ich mir die Tränen aus den Augen und küsste ihn sanft auf den Mund. Er öffnete halb die Augen und sprach kaum hörbar.
„Oh, Mann, muss ich pinkeln.“
Ich lachte und weinte gleichzeitig. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, verlangte er nur einen Nachttopf, es war grotesk. Mit etwas mehr Resonanz in der Stimme sprach er erneut.
„Warum weinst du denn so? Das kann ich ja gar nicht mit anhören.“
„Warum ich weine? Nun ja, du ...“
Dann wurde mir klar, dass für ihn wahrscheinlich gerade mal eine Nacht vergangen war und er von dem, was geschehen war, keine Ahnung hatte. Ein Flackern ging durch seine Augen.
„War ich denn so krank?“
Ich nickte, und mir liefen erneut Tränen übers Gesicht. Er hob mühsam den rechten Arm, als wolle er mein Gesicht berühren, und sah erstaunt auf den Anhänger in seiner Hand.
„Das erkläre ich dir später“, sagte ich.
Er nickte und schloss die Augen.
„Wie viel Zeit ist vergangen?“
„Ein Tag und zwei Nächte“, sagte ich erstickt.
„Mein armer Liebling, und ich wäre beinahe ...“ Er stockte.
„... zu deinen Ahnen gegangen“, sprach ich für ihn zu Ende.
Er schluckte. Dann legte er die Arme um mich und drückte mich an sich. Ich genoss das Gefühl, das von diesen ehemals so starken Armen wieder etwas Kraft ausging, und dankte Gott inständig dafür. Ich weinte noch immer, und die Tränen der Erleichterung kullerten auf seine Brust.
„Ist ja gut, Engelchen“, sagte er sanft. „Ich bin nicht gestorben, was ich für einen großen Vorteil halte, und den Rest schaffe ich auch noch.“
Ich musste lachen und sah ihn kopfschüttelnd an. Selbst halb tot hatte er noch einen Scherz auf den Lippen. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust.
„Isabel?“
„Ja?“
„Wenn du mir jetzt nicht sofort den Topf bringst, dann platze ich.“
Jack legte sich erschöpft in die Kissen zurück, und ich ließ ihn kurz allein, um nach oben zu gehen und die gute Nachricht zu verkünden. Meine Freundinnen fielen mir nacheinander um den Hals und fragten mich, wann sie ihn besuchen durften. Anna vergoss Freudentränen. Johannes war da, und ich ließ mich ihm erleichtert an die Brust sinken und umarmte ihn. Er versteifte sich erschrocken und traute sich nicht, die Umarmung zu erwidern. Leicht verstört blickte er mich an, und ich löste mich von ihm.
„Entschuldige, aber ich bin so glücklich, und du bist doch sein bester Freund.“
Erstaunt sah er mich an.
„Ihr seid ... so erfrischend offene Menschen, ich muss mich erst daran
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