Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
spazieren. Sie lag in einem riesigen Ungetüm von Kinderwagen und blinzelte aufmerksam in die Welt. Ich hatte ihr einen kleinen Teddybären gehäkelt, und er ruhte auf ihrem Kopfkissen neben ihrem kleinen Gesicht. Was würde Anna ihr später wohl erzählen, wenn sie fragen würde, wer ihn ihr geschenkt hatte?
Trotz der friedlichen Familienidylle besprachen wir uns schließlich mit den beiden anderen und beschlossen, Anna in der kommenden Woche zu verlassen, sofern der Kristall auch wirklich funktionierte.
Meine Befürchtungen, die ich nur Jack gegenüber zugab, wir könnten vielleicht beim Transfer in Einzelteile zerlegt auf der anderen Seite ankommen, quittierte er nur mit einem Lachen. Nein, er mache sich darüber keine Sorgen. Matu hätte uns sicher gewarnt, wenn etwas zu beachten wäre. Ich versagte mir den Hinweis, dass er uns vorher auch nicht gewarnt hatte, und bildete mir ein, ein kurzes Aufflackern der Unsicherheit in Jacks Augen gesehen zu haben. Aber ich verdrängte meine wenig hilfreichen Ängste, denn ich würde es trotzdem versuchen, ungeachtet der möglichen Gefahren.
Barbara beendete unauffällig ihre angefangenen Arbeiten im Hospital. Sie hatte sich einen eigenen Raum mit sterilen Dingen und ein paar persönlichen Sachen eingerichtet. Täglich brachte sie etwas mit nach Hause und wollte so möglichst all ihre Spuren aus der fremden Zeit auslöschen. Anna war dankbar für Barbaras gesammelte Schätze, denn die Pflanzenmedizin ließe sich sicher gut bei der Behandlung körperlicher und seelischer Beschwerden einsetzen. Barbara hatte sie über die Verwendung informiert und ihr bei dieser Gelegenheit auch einen kompletten Kurs in Babypflege gegeben, bis hinein in die Zeit, in der das Kind zahnen würde.
„Das heißt, ihr wollt mich verlassen“, kombinierte sie messerscharf.
Barbara lächelte verlegen und nickte. Anna hatte mit leerem Blick zur Seite geschaut, während das Kind zufrieden an ihrer Brust nuckelte.
„Dann habt ihr also herausgefunden, wie es geht?“, fragte sie, um Beiläufigkeit bemüht.
„Ja. Friedrich hatte einen Kristall im Lager, mit dessen Hilfe wir es hoffentlich schaffen werden“, erklärte Barbara.
„Einen Kristall?“, rief Anna überrascht, und Barbara erinnerte sie an unseren Bericht über den anderen Kristall in der Zukunft und deren beider Zusammenhang.
Anna nahm es gefasst auf, denn sie könne uns verstehen, erzählte Barbara uns später zuversichtlich, doch ich wollte mich selbst davon überzeugen.
Ich wartete einen günstigen Zeitpunkt ab, um mit Anna allein zu sprechen. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer kam ich wie gewohnt am Bildnis Matus vorbei und hätte ihn beinahe freundlich gegrüßt, da ich ihn jetzt persönlich kannte. Wehmütig nahm ich zur Kenntnis, dass ich dieses Haus und seine Bewohner vermissen würde und es trotz allem eine sehr schöne Zeit gewesen war, die ich nicht missen mochte.
Annas Tür war nur angelehnt, und ich stieß sie behutsam auf.
„Anna?“, fragte ich vorsichtig.
„Ja, ich bin wach“, sagte sie.
Ich trat näher, und Anna setzte sich langsam auf.
„Hat Barbara dir erzählt, dass du ... meine Großmutter bist und Friedrich mein Großvater war?“ Es war seltsam, dies auszusprechen.
Ich setzte mich auf den Bettrand und sah sie abwartend an. Wie würde sie reagieren? Sie lächelte, und ihre Augen blickten wissend.
„Ich dachte mir so etwas“, sagte sie.
Verdammt, sogar sie hatte es gemerkt. Nur ich wieder mal nicht.
„Wie das?“, fragte ich überrascht.
„Ihr habt mir von dem Ring im Stein erzählt. Friedrich zeigte mir einen solchen Ring. Wir fanden ihn nicht sehr schön, so legte er ihn irgendwo hin und vergaßen ihn.“
„Ihr fandet ihn nicht schön?“
Ich war sprachlos. Wieso hatte sie ihn dann weitervererbt?
„Er trägt ein heidnisches Muster“, sagte sie entsetzt.
Um Himmels willen, dachte ich. Das Muster! Natürlich, so etwas wie Modeschmuck gab es noch nicht. Ich holte tief Luft.
„Hör zu, Anna, das ist jetzt sehr wichtig. Ich habe den Ring von der Mutter meiner Mutter geerbt. Und sie hatte ihn wiederum von ihrer Mutter. Das zieht sich durch die Generationen bis zu dir. Genau wie mein Vorname. Alle erstgeborenen Töchter in meiner Familie mütterlicherseits hießen über viele Generationen Isabel. Und jetzt hast du dein Kind auch Isabel genannt. Das musste so sein, denn du hast mit dieser Tradition angefangen, nachdem du mich kennen gelernt hast.“
Anna hörte mir staunend zu und überlegte
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