Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Verachtung, verbeugte sich pflichtbewusst und ging.
Wir waren wieder unter uns. Die Aussicht auf ein heißes Bad, endlich die Haare waschen zu können, erfüllte mich mit Vorfreude.
„Sprecht leise“, sagte ich und legte meinen Finger über die Lippen. „Damals hatten die Wände Ohren.“
„Damals ist gut. Meint ihr, sie hat recht mit dem Ehemann? Vielleicht schmeißt er uns raus?“, meinte Anette.
„Das glaube ich nicht“, entgegnete Karin. „Wenn sie aus Liebe geheiratet hat, dann ist ihr Mann sicher genauso nett wie sie.“
„Okay. Gesetzt den Fall, der Mann ist freundlich“, dachte Anette laut nach. „Was, wenn er unsere Geschichte nachprüft und feststellt, dass wir weder in Frankreich noch in England Verwandte haben? Wahrscheinlich werden sie doch versuchen den Verwandten eine Nachricht zu überbringen, damit sie uns abholen kommen oder Geld schicken.“
„Wie sollten sie das machen? Oder meinst du, es gibt bereits ein Einwohnermeldewesen, so wie bei uns?“, fragte ich. „Es ist eben einfach nichts über uns zu erfahren. Das werden sie seltsam finden, aber es ist kein Grund, uns deshalb Schwierigkeiten zu machen. Schlimmer finde ich, ohne Geld zu sein. Essen kostet Geld, und Anna kann uns nicht wochenlang durchfüttern, bis wir die Lösung unseres kleinen Problems gefunden haben. Wir werden sie fragen müssen, was eine Frau in dieser Stadt dagegen tun kann.“
Das Bad war ebenso herrlich wie bitter nötig. Die Seife duftete nach Blumen und ließ mich all die widerlichen Gerüche der vergangenen Tage vergessen. Ich schäumte mir geradezu meditativ die Haare damit ein. Als ich mit dem Stück Seife über meinen Körper fuhr, entdeckte ich, dass ich noch immer zum Fürchten aussah. Überall leuchteten blaue Flecken. Die angestoßene Hüfte schimmerte in allen Farben, aber wenigstens war die Schwellung zurückgegangen. Das heiße Wasser besänftigte meinen schmerzenden Rücken. Die Gefängnispritsche hatte ihm gar nicht gut getan. Die Erinnerung an Annas Erstuntersuchung kam mir in den Sinn, und ich vermutete, dass wir einen schlimmen Eindruck auf sie gemacht haben mussten. Sie dachte wahrscheinlich, wir wurden vergewaltigt und schwer misshandelt. Das war wohl auch der Grund dafür, warum sie sich nicht nach Einzelheiten erkundigte. Zunächst hatte ich mich darüber gewundert, doch dann erkannte ich, dass eine Frau wie sie sicher über die Diskretion einer Taubstummen verfügte. Ihr Verhalten war ein Glücksfall für uns und trug sehr viel zur Sympathie bei, die wir ihr ohnehin bereits entgegenbrachten. Mit ihren aufgeweckten dunklen Augen unter langen Wimpern, erweckte sie immer den Eindruck von Fröhlichkeit. Ich traute ihr durchaus zu, aus Liebe geheiratet zu haben. Sie wusste bestimmt, was sie wollte. Wie viele Vorurteile ich doch über die Gesellschaft dieser Zeit hatte. Frauen hatten nichts zu sagen, fristeten ein langweiliges, unterdrücktes Leben, und ihre einzigen Daseinsberechtigungen lagen im Kindergebären und die Gattin von irgendjemandem zu sein, den sie sich unter Umständen nicht einmal selbst erwählen durften. Das traf jedoch nicht auf Anna Göttmann zu, so viel war nun klar.
Ich legte mich entspannt in der Wanne zurück. Das Wasser schien genau meiner Körpertemperatur zu entsprechen, denn ich konnte meine Glieder kaum noch spüren. Schwerelos trieb ich im warmen, duftenden Wasser, gehalten von meinem Nacken am Wannenrand und verbunden mit der Realität durch meine nassen Arme, die auf dem Rand der Wanne langsam kalt wurden. Meine Gedanken schweiften ungelesen umher, und ich wäre sicher eingeschlafen, wenn mich nicht ein Geräusch aufgeschreckt hätte. Mein Herz pochte heftig, als mein Geist ruckartig wieder ins Bewusstsein zurückkehrte. Ich schlug die Augen auf und blickte in das lächelnde Gesicht Anettes.
„Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich hätte auch gerne gebadet, bevor das Wasser kalt ist“, sagte sie leicht vorwurfsvoll.
Doch das Wasser war nach mir so schmutzig, dass Lisa neues bereiten musste. Ebenso nach Anette und Karin. Die Prozedur dauerte den ganzen Nachmittag, und mir wurde die eigentliche Bedeutung vom guten alten Badetag klar, den meine Großeltern einmal pro Woche zelebriert hatten. Ein Ritual aus der Zeit ohne eine moderne Heißwasseraufbereitungsanlage in ihrem alten Fachwerkhaus. Wir hörten Lisa leise fluchen, als sie Eimer für Eimer heißes Wasser aus der Küche die Treppe hinaufschleppte.
„Eine Frau? Wie sie Geld verdienen
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