Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
hatte sich von seinen Hormonen leiten lassen, sondern ich mich von meiner Wut.
„Und was willst du damit sagen?“
„Dass du Jack so nehmen sollst, wie er eben ist. Irgendwann wird sein Verstand nicht mehr über den Gefühlsaufruhr von letzter Nacht nachdenken, und er nimmt dich einfach in die Arme. Männer sind nicht so nachtragend wie wir, er wird dir verzeihen.“
„Erst, wenn er sich selbst verziehen hat, sagt er“, wandte ich ein und schloss die Verschnürung meines Brustmieders.
„Das darfst du nicht so ernst nehmen. Ich habe dir doch erklärt, er ist ein Mann. Das heißt, du brauchst dich ihm nur zu nähern ...“
„Und schon übernimmt der Triebteil seines Gehirns das Ruder, meinst du das, ja? Aber das will ich doch gar nicht, verdammt, ich gehöre zu Robert!“
Warum wollte jeder mit Gewalt, dass Jack und ich ein Paar wurden? Jetzt bekam ich schon Ratschläge, wie ich es am besten anstellen könnte. Ich war empört.
Anette schüttelte verständnislos den Kopf.
„Das meine ich doch gar nicht. Er würde dir sofort verzeihen, wenn du ehrlich zu ihm wärst.“
Während ich meine Schuhe zuschnürte, dachte ich über ihre Worte nach, ohne zu einem sinnvollen Schluss zu kommen. Ich griff nach der Haarbürste. Beim Kämmen konnte ich herrlich nachdenken. Als mein Blick in den Spiegel fiel, hielt ich inne und sah mir eine Weile in die Augen. Um Anettes Rat zu befolgen, müsste ich zuerst ehrlich zu mir selbst sein, was mir im Moment unmöglich erschien. Was wollte ich überhaupt?
Ein paar Tage später sprach niemand mehr davon, und Jack benahm sich mir gegenüber höflich und distanziert. Kein vertrauter Blick, keine verstohlene Berührung gingen mehr von ihm aus. Ich merkte, wie mir seine Vertraulichkeiten fehlten, doch ich wollte es nicht eingestehen. Von Barbara erfuhr ich, dass sie mit Jack gesprochen hatte. Er war sehr aufgeschlossen gewesen und hatte vor ihr freimütig sein Seelenleben ausgebreitet. Was fiel ihm bloß ein? Warum redete er nicht mit mir?
Wir Frauen standen in dem Zimmer, das den Angestellten zum Bügeln und Lagern der fertigen Wäsche diente, und versuchten mit einem glühend heißen Eisen Laken zu plätten. Zu diesem Zweck stand in der Mitte ein großer quadratischer Tisch bereit, dick mit Laken gepolstert. Anna lächelte manchmal über meine ungeschickten Bügelversuche, was ich ihr nicht verdenken konnte.
Meistens verliefen unsere hauswirtschaftlichen Tätigkeiten nicht ohne einen gewissen Spaß. Die meisten dieser Dinge wurden zu Hause von einer Maschine erledigt. Dieser zur Gewohnheit gewordene Luxus war uns noch nie so bewusst vor Augen geführt worden. Ich hatte zwei Brandblasen an den Fingern, verfluchte innerlich diese unterentwickelte Epoche und sehnte mich nach meinem elektrischen Dampfbügeleisen.
Plötzlich kam Jack rein und reichte Anette ein Schriftstück, das sie ihm entschlüsseln sollte, wie er es nannte. Anna gesellte sich dazu und gemeinsam versuchten sie die fast unleserliche Handschrift eines Kunden zu entziffern. Jack beobachtete inzwischen meine Bemühungen mit dem Bügeleisen.
„Sei vorsichtig, das ist mein Hemd“, ermahnte er mich.
Ich bügelte sein dunkelblau gefärbtes Leinenhemd. Jack sah darin immer fantastisch aus. Mühsam verdrängte ich den Gedanken an seinen faszinierenden Körperbau.
„Sei still, sonst brenne ich dir ein formschönes Loch hinein.“
Eigentlich sollte es ein Scherz sein, der jedoch seine Wirkung verfehlte. Jack funkelte mich an. Seine Blicke ähnelten kleinen Pfeilspitzen, die mich durchbohrten. Ein kleiner Rückfall im Jack Rivers Isabel-ist-unsichtbar-Programm?
Ich hörte ihn tief einatmen, während ich wegsah. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ, etwas Unverständliches murmelnd, das Zimmer.
Anette, die sich sonst nie in meine Angelegenheiten einzumischen pflegte, konnte sich nicht länger zurückhalten.
„Du bist so blöd, dass man es nicht aushält. Warum redet ihr nicht endlich miteinander?“
Ich setzte das Bügeleisen ab.
„Warum lässt du mich nicht endlich in Ruhe? Ich will nichts von diesem Mann. Nichts!“
Mit Tränen kämpfend, verließ ich das Zimmer, rannte die Treppe hinunter und setzte mich im Hof auf die Holzbank. Es war kalt draußen, doch ich nahm es nur am Rande wahr. Verdammt, warum hatte ich bloß keine Zigaretten mehr? So konnte es nicht weitergehen, ich konnte mich Jack nicht länger entziehen. Er litt darunter, und ich ebenfalls. Wir verletzten uns gegenseitig und
Weitere Kostenlose Bücher