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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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sie naserümpfend an und schnitt in meine Waffeln. »Ich dachte, du wolltest einmal so werden wie dein Vater, Will junior«, schalt ich ihn und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich von seinem Kuss im Pool immer noch verwirrt war. Doch er lächelte nur und zwinkerte mir zu.  
    »Werd ich auch.«  
    Fish schnaubte und stieß Will mit dem Ellbogen in die Rippen, wobei ihm Sirup von der Gabel auf den Boden tröpfelte. »Erzähl mir nicht, dass Pastor Meeks so rülpsen kann«, sagte er mit dem Mund voller Waffeln.  
    »Nö, Pastor Meeks kann das nicht«, sagte Will mit einem weiteren schamlosen Grinsen.  
    In diesem Moment beschloss Lill den Fernseher einzuschalten, weil sie den Wetterbericht sehen wollte. Wir drehten uns alle gleichzeitig zu ihr um und schrien »NICHT«, so dass der armen Frau fast Flügel gewachsen und sie über die Wolken entschwunden wäre. Fish stand so schnell auf, dass er seinen Teller mit den Waffeln zu Boden warf. Er stieß gegen Will, und der warf mit dem Ellbogen die Plastiktasse mit Orangensaft auf dem Nachttisch neben sich um, so dass der Saft in die Schublade mit der Bibel, dem Telefonbuch und den Handzetteln vom Pizzaservice tröpfelte. Bobbi schloss die Badezimmertür auf und kam gerade rechtzeitig heraus, so dass wir lossprinten konnten, um Handtücher und Wasser zu holen.  
    Als alles wieder einigermaßen sauber war, klopfte Lester an die Tür. Er hatte den grünblau gestreiften Schlips umgebunden, den Lill ihm gekauft hatte, dazu ein sauberes Hemd und eine frische Latzhose.  
    »Wir müssen los«, sagte er mit einem breiten Lächeln, das nur Lill galt. Lill richtete den Knoten an seinem Schlips, erwiderte sein Lächeln und ließ eine Hand leicht auf seiner Brust ruhen.  
    »Du siehst richtig gut aus, Lester«, sagte sie strahlend.  
    Da alle anderen schon fertig waren, zog ich mich im Bad so schnell wie möglich an. Ich putzte mir die Zähne und kämmte mir die Haare. Ich trug ein wenig glänzenden Lipgloss auf, den Bobbi auf der Ablage liegengelassen hatte, dann überlegte ich es mir anders und tupfte ihn mit einem Papiertaschentuch wieder ab. Bevor ich das Bad verließ, steckte ich stillvergnügt eine in Papier gewickelte Seife in die Rocktasche, in der immer noch Wills Geburtstagsstift steckte. Dann ging ich zu den anderen und zusammen flappten wir mit unseren neuen Flipflops über den Flur, wie eine Schar plattfüßiger Gänse folgten wir Lill und Lester die Treppe hinunter zu dem Heartland-Bibelbus und achteten darauf, dass uns niemand sah, der uns nicht sehen sollte.  
    Vor mir hakte Lill sich mit ihrer großen Hand bei Lester unter und ich versuchte nicht auf Carlene und Rhonda zu hören, die sich über seine neue Flamme ausließen; irgendwie kamen mir ihre Stimmen heute nicht so laut und gemein vor wie sonst.  
    »Ich hätte nicht gedacht, dass mein Junge je eine annehmbare Frau finden würde«, sagte Rhonda. »Bestimmt vermasselt er wieder alles.«   
    »›Annehmbare Frau‹? Und was war ich – saure Kutteln?«, keifte Carlene. »Ich kann nichts dafür, dass Lester sein Glück mit Füßen getreten hat.«   
    »Lester mochte immer gern Kutteln«, schoss Rhonda zurück. »Du, Carlene, bist nur ein magerer alter Hühnermagen.«   
    Ich dachte über die beiden Frauen und ihr ständiges Gezicke und Gezanke nach, und mein Kopf lief über vor Fragen. Wenn diese Stimmen in meinem Kopf mir verrieten, was Lester dachte oder fühlte, warum redeten sie dann immer so über ihn, als wäre er gar nicht da? Immer putzten sie ihn nur runter. Anscheinend hatten die beiden Frauen eine solche Wirkung auf ihn gehabt, dass er jetzt nur noch ihre Stimmen hörte, schreiend laut. Sagte ihr gemeines Geschwätz Lester, wer er war? Kein Wunder, dass der Mann stotterte und zuckte.  
    Vielleicht geht es uns allen so, dachte ich. Vielleicht haben wir alle ständig ein Tohuwabohu von fremden Stimmen im Kopf. Ich dachte daran, wie oft mein Poppa und meine Momma in meinem Kopf waren und mir sagten, was richtig und was falsch war. Oder wie mir die Stimmen von Ashley Bing und Emma Flint manchmal unter die Haut fuhren, mich verspotteten und runterzogen, selbst wenn sie nicht da waren. Ich begriff allmählich, wie schwer es war, all die Stimmen auszusortieren, bis ich die eine, starke Stimme hörte, die nur von mir kam.  
    Als ich an diesem warmen, heiteren Morgen wieder in den großen rosa Heartland-Bibelbus stieg, versuchte ich an Carlene und Rhonda vorbei zu hören,

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