Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)
Villen und Penthouses bebaut wird. Ich muss zugeben, dass ich eigentlich kein großer Fan dieser Gegend bin. Die üppige Schönheit ihrer Grundstücke drängt sich zu sehr auf, man blickt von dort oben auf das Stadtzentrum, auf die Promenade und auf den Strand hinunter, und ich finde, das macht es einem alles zu leicht. Im Gegensatz zu meinem Dad würde ich niemals auf einem ColemenHill wohnen wollen. Mir hat es immer gereicht, dort gelegentlich zu parken, in Richtung Meer zu blicken und ein Collegemädchen zu küssen.
Ich gehe die Treppe im Bus nach oben und setze mich links ans Fenster. Die meisten Passagiere um mich herum tragen Kopfhörer, einige schlafen. Draußen fahren Jugendliche auf Mountainbikes über die breiten Bürgersteige, ihre leicht bepackten Nylonrucksäcke weisen darauf hin, dass sie gerade aus ihren Ganztagsschulen kommen. ›Sie fahren ihren Ferien entgegen. ‹ Mit Regen ist nicht zu rechnen. Es ist heute, drei Tage vor Frühlingsbeginn, längst möglich, den Abend Fußball spielend oder mit Skateboards und Bierdosen auf den Straßen zu verbringen. Noch vor einigen Jahren, als ich gerade erst zwanzig war, haben mich solche Wetterlagen manchmal ein bisschen traurig gemacht. Weil ich dann lieber wieder zwölf oder vierzehn gewesen wäre anstatt schon zwanzig. Heute gelingt es mir, diese überraschend milden Nachmittage trotzdem zu genießen. Ich stelle mir dann einfach vor, dass ich noch immer dieselben Dinge tun könnte, die ich mit zwölf oder mit vierzehn hätte tun können.
»Warst du heute schon skaten?« , frage ich Mattis Klark als Erstes, denn ich bin sicher, dass er früher einmal Skateboard gefahren ist, er strahlt das aus. Mattis steht in der Haustür, grinst und schlägt bei mir ein. Wenn wir einschlagen, dann klatscht es immer laut, unsere Hände treffen sich genau in der Mitte. Mattis geht es bei diesem Einschlagen, wie wohl den meisten älteren Männern, sicher um Selbstironie und gute Stimmung.
»Ich hab gerade ein bisschen Workout gemacht« , sagt er, »vielleicht wird dann auch bald mal wieder was aus Skateboarding.« Als Zweites frage ich ihn, wie es seinem Sohn Max geht, damit zeige ich, dass ich an seinem Leben teilnehme. Mattis sagt: »Ich glaube, Max hat sich gerade zum ersten Mal verliebt. Aber er geht recht abgeklärt damit um.« Im Eingangsbereich des Hauses riecht es nach künstlichem Pfirsich. Mattis gestikuliert mit den Armen: »Dieses AuraPro-Duschgel ist eine Zumutung. Tut mir leid.« Er muss in meiner Mimik gelesen haben, dass mich der Pfirsichgeruch irritiert.
Als ich Mattis kennenlernte, war ich noch Student. Er kam als Praxisgegenstand in eines unserer Seminare, die Dozentin sagte über ihn: »Ein schwer zu vermittelnder Autor. Er ist schon über dreißig und lebt als alleinerziehender Vater in den Suburbs.« Sein erstes Buch wurde mein Projekt für den Masterabschluss. Die anrührende, scheinbar autobiografische Erzählung verkaufte sich solide, ich bekam eine Eins-Komma-zwei auf meinen Master und dann den Job bei Calvin Van Persy.
Mattis serviert schwarzen Tee, der nicht lange gezogen hat. In der Mitte des Wohnzimmertisches stehen Kekse in einer nussbraunen Schale aus Holz. Diese Kekse waren mir schon bei meinem ersten Besuch suspekt, ich frage mich, ob sie jeden Tag in Mattis’ Wohnzimmer stehen oder nur, wenn er Gäste empfängt. »Du hast hier wieder diese Kekse …« , erwähne ich und Mattis nickt: »Ja, ich bin ziemlich süchtig nach den Dingern. Max auch.« Er nimmt einen der Kekse in den Mund, beißt zu und lächelt. Unseren Tee trinken wir mit fettarmer Milch. Ich zähle die sechs Verlage auf, die Mattis’ Erzählband unkommentiert abgesagt haben. Ich wähle immer diese Reihenfolge: zuerst die schlechten Nachrichten, dann die sehr guten. Die beste Nachricht ist, dass vier Großverlage umgehend Interesse angemeldet haben. Mattis gibt an, dass ihm eine Auktion dieses Mal sehr recht sei, sein Sohn entwickle nämlich langsam ein Faible für teure Sportschuhe. Und damit hat Mattis eigentlich schon alles gesagt, was ich hören muss. Er schiebt sich einen weiteren Keks in den Mund und merkt, dass ich in seinen Garten blicke. Auf dem Rasenquadrat stehen weiße Kunststoffmöbel, die von der Sonne schon leicht gelb gefärbt wirken. »Warum sitzen wir eigentlich nicht da draußen?« , frage ich. »Heute ist doch so ein Tag, da könnte man abends schon Fußball spielen gehen.« Ich sage den Satz nicht sehr enthusiastisch, sodass man ihn mir eigentlich nicht
Weitere Kostenlose Bücher