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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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betrunkener als ich, also reden wir vergleichsweise wenig über unsere Studiengänge und Jobs, sondern mehr über unsere Beziehungen. Elf von fünfzehn Gästen leben tatsächlich in einer Paarbeziehung, drei in mehreren Paarbeziehungen parallel, aber das kommt eigentlich auf das Gleiche raus. Ich erwähne früh, dass Carla und ich nun vorerst getrennt sind, treffe aber keine Aussage über die Art der Trennung. So wie ich es erwähne, könnte man durchaus annehmen, dass Carla nur für einige Zeit ins Ausland gegangen ist. Aber auch die Wahrheit könnte ich so erzählen, dass ich sie gut ertrage, denke ich, und schneide eine dunkle, geräucherte Wurst in die Linsensuppe.
    Irgendwann gibt es Streit über die Musik. Magnusson will einen eigenen Mix auflegen, was einige freut, weil er das schon zu Schulzeiten gemacht hat, und was andere ärgert, weil sie Magnusson keinen guten Geschmack zutrauen. Ich stehe ihm fast neutral gegenüber. Manchmal habe ich seine Musik gerne gehört, andererseits hat er sich im Alter von siebenundzwanzig Jahren offenbar als Produzent und Diskjockey noch immer nicht etablieren können. Ich verhalte mich dann wie ein echter Gastgeber, gehe zur Anlage und sage: »Wir hören jetzt das Set von Magnusson. Zumindest die ersten paar Lieder.« Keiner beklagt sich und dann startet der Beat. Es wird schnell klar, dass Magnusson wenig Talent hat, doch in diesem Kontext funktioniert seine Musik merkwürdig gut. Drei Mädchen beginnen zu tanzen und das ist ein Novum. Getanzt wurde auf unseren Klassentreffen noch nie, auch nicht, als alle schon sehr viel betrunkener waren als jetzt. Schamgefühl und Eitelkeit gehen offenbar verloren, wenn man schon älter als fünfundzwanzig ist. Wer jetzt tanzen will, der tanzt wohl einfach, ganz wie er sich fühlt, auf eine ihm eigene, großteils unbewusste Art. Ich finde das relativ schrecklich, aber irgendwann tanze ich dann auch, denn irgendwann tanzen ja alle. Weil irgendwann wohl alle zeigen wollen, dass sie sich für überhaupt nichts mehr schämen. Während wir tanzen, beginnt es draußen heftig zu regnen. In manchen Momenten kommt mir der Schauer so druckvoll und gewaltig vor, dass ich fürchte, er könnte die Panoramascheibe sprengen.
    Als indirekter Gastgeber muss ich natürlich auch bis zum Ende bleiben und natürlich wissen das alle. Ich war den ganzen Abend über gespannt, welches der Mädchen also am längsten aushalten würde, oder ob vielleicht ein Junge am längsten aushält. Aber das mit den Jungs hat sich recht früh erübrigt, weil die beiden, die Interesse haben könnten, nämlich Dave und Marcel, zusammen nach Hause gegangen sind, gegen vier. Die letzten Mitschüler haben sich gegen halb sechs verabschiedet, nur Martina ist geblieben. Ihre Zwillingsschwester Iris hat behauptet, sehr müde zu sein, und ist dann allein nach Hause gegangen.
    Wir verhalten uns Tom O’Brians Mitarbeitern gegenüber ausgesprochen fair, räumen die Flaschen und Gläser, die überall im Raum herumstehen, ordentlich auf den runden Tisch und hören dabei wieder die Musik, die ich auch am Anfang gehört habe, den Männergesang mit den Instrumenten. Martina hat mir im Laufe des Abends wiederholt von ihrer letzten Affäre erzählt, insbesondere davon, wie unkompliziert und doch leidenschaftlich diese gewesen sei. Einmal meinte sie sogar, gelungene Affären seien lediglich eine Frage der Einstellung. Ich wechselte mehrmals das Thema oder den Gesprächspartner, trotzdem ist sie jetzt immer noch hier. Damals in der Abschlussklasse habe ich Martina für eher spröde und asexuell gehalten und deshalb für irgendwie attraktiv. Dass sie nun so eine Dringlichkeit ausstrahlt, enttäuscht mich. Trotzdem könnte ich mir alles Mögliche mit Martina vorstellen, fällt mir auf, als sie gerade einen letzten großen Schluck Weißwein aus irgendeinem Glas nimmt und es dann auf den Tisch stellt. Ich schalte die Anlage aus und frage: »Kommst du mit oder willst du noch bleiben?«
    Wir gehen auf den Lift zu, relativ eng nebeneinander, und hören, dass es draußen noch immer stark regnet. Wir fahren die acht Stockwerke ins Erdgeschoss hinunter, die Fahrt dauert überhaupt nicht lang, der Lift ist brandneu. Wir haben gerade mal Zeit, uns ein einziges Mal vieldeutig in die Augen zu blicken. Unten behaupte ich dann, dass ich in einem der Gästezimmer im Erdgeschoss übernachte, obwohl ich das eigentlich gar nicht vorhabe. Und dann umarmt mich Martina und sagt, viel leiser als nötig, dass ich mich im

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