Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)
Laufe des Frühlings ja mal melden könne. Sie hält mich lange im Arm und eventuell wartet sie darauf, dass ich anfange sie zu küssen, aber ich will Martina ja nicht dafür belohnen, dass sie mit Mitte zwanzig ihre spröde, sexy Art aufgegeben hat. Als sie durch die Lobby davongeht und sich tatsächlich noch einmal umdreht, um zögerlich zu lächeln, da weiß ich, dass ich sie jetzt für mindestens ein Jahr nicht sehen möchte.
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Ich habe Eistee in eine Karaffe gefüllt und einige Blätter Minze hinzugegeben. So hat das auch meine Mutter oft gemacht. Vor meinem inneren Auge kann ich mich in jedem bisherigen Alter mit einem Eisteeglas in der Hand sehen. Auf jedem dieser Bilder trage ich andere Kleidung, habe eine andere Statur, bin kleiner, größer, breiter, schmaler, nur das goldrote Eisteeglas bleibt stets identisch. Statt ins Bett zu gehen, habe ich mich an meinen gut aufgeräumten Schreibtisch gesetzt und blicke nach draußen. Es regnet zwar nicht mehr, aber es ist noch sehr bewölkt und wird gar nicht richtig hell. Ich werde von Minute zu Minute nüchterner.
Gerade erst zweieinhalb Wochen ist es her, dass ich neben Carla, im einfallenden Sonnenlicht sitzend, behauptet habe, dass wir in einem utopischen Sexraum wohnen. Der ›utopische Sexraum‹ war natürlich vor allem als Gag gemeint, das weiß ich auch heute noch, selbst wenn die Erinnerung bereits verklärt ist und mir meine Aussage im Nachhinein fast wahrhaftig vorkommt. Unter den Jungautoren, die wir vertreten, gibt es einen Trend zur Erinnerungsprosa, zu sinnlicher Nostalgie. Besonders in Mode ist es, sich mit simplen Texten in seine Kindheit hineinzuforschen. Kevin Lulay macht so etwas, wenn er sich nicht gerade als Maren August kommerzielle Erzählungen ausdenkt. Er versucht dann in kurzen Sätzen nachzuahmen, wie er als kleiner Junge die Welt sah, wie sie sich ihm in den Zeichentrick- und Realfilmserien präsentierte, und wie er zur selben Zeit am Strand den Sand ertastete oder sich auf dem Rücken seines Vaters über die ColemenHills tragen ließ. Einige Leser behaupten, diese kurzen Erzähleinheiten verfügten über eine besondere Magie. Ich halte sie für relativ unsinnig und für künstlich, aber ich betreue sie gern, denn sie sind sprachlich einwandfrei gearbeitet und es finden sich sogar Verlage, die einen soliden Vorschuss dafür bezahlen. Zurzeit frage ich mich, ob das Schreiben dieser Texte für Kevin auch einen persönlichen Effekt hat, ob er sich damit besser fühlt, weil er so weit vorne anfängt, seine Vergangenheit zu stilisieren. Ich überlege, ob es nicht vielleicht gut für mich wäre, meine zwei Jahre mit Carla so ähnlich zu durchforschen wie Kevin seine Kindheit. Ich klappe meinen Laptop auf und beginne mit losen Notizen:
Ihre neue Liebe heißt Dustin. Ihre Liebe vor mir haben wir in den ersten Monaten, in all diesen E-Mails, nie erwähnt. Die hieß aber, falls sie mir später den wahren Namen genannt hat, Kristin. Carla hatte, bevor sie zweiundzwanzig war, eher etwas mit jüngeren Mädchen als mit gleichaltrigen Jungs, aus einem blanken Narzissmus heraus, wie sie später sagte, nicht aus einem ehrlichen Bauchgefühl. Den Begriff ›ehrliches Bauchgefühl‹ benutzten wir damals oft in unseren E-Mails, aber nur in der allerersten Zeit, in den ersten vier Monaten etwa, danach sind wir aus diesem Begriff herausgewachsen. Manchmal aber, wenn wir gerade ruppig miteinander geschlafen hatten, wärmten wir den Begriff noch einmal auf, aber dann war das eher ein Lustigmachen darüber. Insgesamt haben wir uns oft über unsere Gefühle füreinander lustig gemacht und das war vielleicht etwas Besonderes an unserer Beziehung. Aber eigentlich auch nicht, denn im Grunde habe ich in meinem Leben noch nie ein Paar kennengelernt, das sich nicht gelegentlich über seine Gefühle lustig gemacht hätte. Paare, die ihren Liebeszustand nicht als vorbelastet oder klischiert wahrnehmen: die gibt es gar nicht, denke ich, die wären ja auch kaum zu ertragen. Insofern waren Carla und ich, neutral betrachtet, vielleicht nie etwas Besonderes. Für mich war es das aber doch, weil ich vorher nie so lange mit einem Menschen, mit dem ich auch ins Bett ging, einen so engen Kontakt gepflegt hatte. Auch wenn wir uns mal einige Tage nicht sahen und keine E-Mails oder Shortmessages austauschten, wusste ich, dass es diese Carla gab, und das hat den Alltag durchaus stabilisiert, wie grauenvoll labil das auch klingen mag.
An dieser Stelle höre ich auf zu
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