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Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition)

Titel: Schimmernder Dunst über CobyCounty (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Randt
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ich mir stattdessen meinen Laptop auf den Schoß und lese eine E-Mail, die mir nicht gefällt:
    »Kurz hat es mich traurig gestimmt, dass ich von Tom erfahren musste, dass du und Carla auseinandergegangen seid. Aber dann habe ich es verstanden. Denk nicht in schwerwiegenden Kategorien. Du bist jung und mit der Zeit können sich alle Emotionen drehen. Genieße den Frühling. Es umarmt dich: deine Mum.«
    Ich sehe aktuell keinen Anlass, eine Antwort zu formulieren. Weder taucht ein Fragezeichen in dem Text auf, noch wüsste ich etwas Interessantes mitzuteilen. Höchstens könnte ich schreiben, dass meine Mutter nicht auf dem neuesten Stand ist, dass sie überhaupt keine Ahnung davon hat, wie schnell sich das Leben eines Sechsundzwanzigjährigen heute wandelt. Aber das würde sie wahrscheinlich kränken und das habe ich gar nicht nötig, denn ich liebe ja meine Mutter und ich wünsche ihr nur das Beste.
    Ich entscheide, in die Agentur zu fahren, um etwas zu arbeiten. Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass zur Frühlingszeit in sämtlichen Branchen, von der Gastronomiebranche einmal abgesehen, höchstens noch halbtags gearbeitet wird, und dass natürlich auch in der Agentur wenig los ist. Die Autoren schicken keine Texte und die wesentlichen Ansprechpartner aus den Verlagen haben frei. Trotzdem bereite ich mich jetzt leicht hektisch auf einen vollen Arbeitsnachmittag vor, knöpfe mein hochwertiges Hemd bis oben zu und denke zur Motivation unsinniges Zeug. Folgenden Satz denke ich tatsächlich: ›Es ist sicher einiges liegen geblieben, und etwas zu tun gibt es immer.‹
    Zu meinem Erstaunen ist die Tür der Agentur nicht abgeschlossen. Ich gehe an der Küche vorbei, es riecht leicht nach Kaffee, das Flurparkett ist aufpoliert. Calvin Van Persy hört Musik über Kopfhörer. Ich klopfe an seine offen stehende Tür, er dreht sich erschrocken auf seinem Bürostuhl um: »Wim! Gut, dass du da bist. Ich muss mit dir reden …« Er spricht zuerst sehr laut, weil er die Kopfhörer noch trägt, dann setzt er sie ab und steht auf. Auf mich zukommend sagt er: »Du siehst schon wieder nicht so gut aus.« Ich erwidere, dass es Frühling ist, und Calvin sagt, dass dies noch kein Grund sei, so auszusehen. Dann lächelt er einnehmend:
    »Hast du meine E-Mail von eben schon gelesen?«
    »Nein … Ich musste die letzten Tage ein paar Sachen aufarbeiten.«
    Calvin fixiert mich und ich spüre, dass er mich mittlerweile schon ziemlich gut kennt: »Ich hoffe, du hast den Frühling nicht auf einer dieser Untergrundpartys begonnen? Die gibt es jetzt doch ständig.«
    »Ich war noch nie auf so einer Party« , sage ich offen.
    Calvin nickt: »Ich habe dir eine Mail von Mattis Klark weitergeleitet. Der Brief hat mich etwas beunruhigt.«
    »Was hat er denn geschrieben?«
    »Komm erst mal mit. Wir machen Kaffee. Ohne Eis!«
    In der Mitte des Eichenholztisches steht eine neue Dose voller Rohrzucker. Calvins Umgang mit der Kaffeemaschine ist bemerkenswert, seine Handgriffe kommen mir wahnsinnig schnell vor. Vielleicht ist ihr Tempo aber auch ganz normal, überlege ich, dann wäre nur meine Zeitwahrnehmung aus den Fugen geraten.
    Umgehend dampft ein doppelter Espresso aus einem eleganten Kaffeeservice vor mir, und Calvin fragt: »Zucker?« So als wäre ich selbst gar nicht in der Lage, an Zucker zu denken. Ich glaube jetzt, dass es doch besser gewesen wäre, mit meinem Eistee auf dem Balkon zu bleiben.
    »Mattis hat nicht viel geschrieben, sich aber dezidiert kritisch geäußert.«
    »Über was?«
    »Über dich. Er meinte, du hättest sein Vertrauen enttäuscht. Du hättest eine enge Freundin von ihm schwer verletzt.«
    Ich sitze da und schweige und trinke meinen Espresso schwarz. Dann sage ich: »Das stimmt vielleicht. Aber diese Freundin hat mich überrannt und sie ist wirklich problematisch. Ich konnte auch nicht ahnen, dass er so viel von ihr hält.«
    »Jedenfalls wünscht er sich deshalb, ab jetzt von mir betreut zu werden. Wie stehst du dazu?«
    »Ich glaube, ich müsste da noch mal mit ihm sprechen.«
    Zum ersten Mal fällt mir auf, dass Calvin Van Persy sehr grüne Augen hat. Sie sehen fast künstlich aus, so grün sind sie. Kurz frage ich mich, welche Augenfarbe Carla hat und welche Wesley. Ich scheine insgesamt sehr wenig auf Augenfarben zu achten, denke ich dann, und Calvin spricht weiter: »Ich habe zu Mattis gesagt, dass ich die Auktion für seinen Erzählband gerne übernehme, sobald die Urlaubszeit vorbei ist. Und dass ich mit dir

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