Schindlers Liste
entkommen zu lassen, das Diamantenversteck zeigen, erschoß ihn und setzte seinen Namen in den Bericht an Koppe und Oranienburg ein. So zerschlug Hauptsturmführer Göth den drohenden Aufstand in seinem Lager.
Kapitel 30
Auf Schindlers Schreibtisch lag ein Schreiben der Rüstungsinspektion beim OKH, das ihn wissen ließ, mit der Auflösung des KL Plaszow werde auch das Nebenlager Emalia aufgelöst.
Dessen Insassen seien ins Lager Plaszow zwecks Umsiedlung zu verbringen. Schindler habe seine Fabrik in Zablocie umgehend zu schließen und nur die für den Abtransport der Maschinen notwendigen Techniker zu behalten. Zwecks weiterer Anweisungen möge er sich an die Abteilung für Betriebsverlegungen beim OKH in Berlin wenden.
Schindler war zunächst von kalter Wut gepackt worden. Daß man ihm in diesem Ton Weisungen erteilte, erzürnte ihn maßlos. Selbstverständlich wußte in Berlin niemand, daß seine Gefangenen in ihm einen Ernährer hatten. Man dachte sich nichts dabei, ihn anzuweisen, das Tor aufzumachen und sie wegzuschicken. Am meisten ärgerte ihn der Ausdruck Umsiedlung. Da war der Generalgouverneur immerhin ehrlicher: »Nach dem Endsieg kann meinethalben das ganze Pack, das sich hier herumtreibt, durch den Wolf gedreht werden, Polen und Ukrainer, das ist mir egal!« hatte er erst kürzlich gesagt. Frank versteckte sich nicht wie die Leute in Berlin hinter schönen Worten wie Umsiedlung. Göth wußte selbstverständlich, was es damit auf sich hatte, er wußte sogar die Details und ließ sie Schindler bei dessen nächstem Besuch in Plaszow wissen. Die Männer würden sämtlich nach Groß-Rosen geschickt, die Frauen nach Auschwitz. Groß-Rosen lag in Niederschlesien, und die Männer arbeiteten in Steinbrüchen der SS-eigenen Deutsche Erd-und Steinwerke, die in Deutschland, in Polen und den übrigen Ostgebieten Filialen unterhielt. Die Insassen von Auschwitz würden selbstverständlich schneller und auf fortschrittlichere Art liquidiert werden.
Als man im Lager erfuhr, daß die Emalia geschlossen werden sollte, sahen die meisten von Schindlers Juden das Ende gekommen. Perlmanns, deren mit arischen Papieren versehene Tochter sie zu Schindler gebracht hatte, packten ihre Sachen und resignierten. Immerhin verdanken sie ihm ein Jahr Leben, Essen, Sicherheit. Aber das ist jetzt vorbei. Sie rechneten fest mit ihrem Ende.
Auch Rabbi Levartov resignierte. Göth wartete wohl bereits auf ihn. Edith Liebgold, die in den ersten Tagen des Gettos von Bankier für die Nachtschicht eingestellt worden war, fiel auf, daß Schindler sich zwar stundenlang mit den jüdischen Vorarbeitern besprach, den anderen aber aus dem Wege ging. Keine sinnverwirrenden Versprechungen mehr. Die Anweisungen aus Berlin trafen ihn wohl ebenso unvermutet wie die Häftlinge. Er glich nicht mehr dem Propheten, den sie bei ihrem Eintreffen vor mehr als drei Jahren in ihm gesehen hatte.
Als die Häftlinge Ende des Sommers ihre Bündel schnürten und nach Plaszow zurückmarschierten, hielt sich gleichwohl hartnäckig ein Gerücht: Schindler habe geäußert, er wolle sie alle zurückkaufen. Das habe er zu Garde gesagt und auch zu Bankier. Man hielt das für möglich, ja man konnte es ihn geradezu sagen hören mit seiner selbstbewußten, väterlich grollenden Stimme.
Aber als die Häftlinge die Jerozolimskastraße hinaufgingen, vorbei an der Lagerverwaltung, mit ungläubigen Augen die Frauen sahen, die Loren voller Steine schoben, war die Erinnerung an Schindlers Versprechen eher bedrückend.
Nun war also auch die Familie Horowitz wieder im Lager, die der Vater Dolek erst im vergangenen Jahr mit viel Geschick ins Nebenlager Emalia gebracht hatte: der sechsjährige Richard und seine Mutter, die elfjährige Niusia, die jetzt wieder Bürsten anfertigte und von ihrem Arbeitsplatz die Lastwagen zur alten österreichischen Feuerstellung hinauffahren sah, wo der schwarze Qualm von den Leichenverbrennungen in der Luft hing. Plaszow war, wie sie es vor einem Jahr verlassen hatte. Unvorstellbar, daß es je anders werden könnte.
Ihr Vater allerdings glaubte, daß Schindler eine Liste von Häftlingen zusammenstellen würde, die er hier herausholen wollte. Man glaubte bereits, daß es eine solche Liste wirklich gäbe.
Und die mochte Rettung bringen.
Schindler erwähnte Göth gegenüber, er plane, seine Fabrik in die Tschechoslowakei zu verlegen und wolle deshalb Juden aus Plaszow mitnehmen. Dies geschah an einem stillen Sommerabend in Göths Villa, wo es nur
Weitere Kostenlose Bücher