Schindlers Liste
noch selten Gäste gab, weil die Ärzte ihm dringend geraten hatten, sich mit dem Trinken zurückzuhalten. Göth freute sich über Schindlers Besuch und ging bereitwillig auf dessen Vorschläge ein. Er brauche seine alten Arbeiter, sagte Schindlet, und womöglich noch diesen oder jenen tüchtigen Arbeiter aus Plaszow. Irgendwo in Mähren würde sich gewiß ein geeigneter Ort finden, und die Behörden würden ihm behilflich sein, seinen Maschinenpark zu transportieren. Und er wäre Göth sehr dankbar, falls dieser ihm entgegenkomme. Solche Worte hörte der Kommandant gern. Falls er sich mit den Behörden einigen könne, wolle er, Göth, ihm nicht im Wege sein, und Schindlet dürfe sich gern geeignete Häftlinge in Plaszow aussuchen.
Göth hatte Lust, Karten zu spielen, am liebsten 17 und 4, ein ehrliches Spiel, wobei man nicht leicht jemanden gewinnen lassen kann, von dem man sich eine Gefälligkeit erhofft. Aber Schindlet hatte auch nicht vor, Göth gewinnen zu lassen, die Liste würde ihn schon teuer genug zu stehen kommen.
Der Hauptsturmführer begann vorsichtig mit einem Einsatz von hundert Zloty, so, als müsse er nicht nur im Essen und Trinken maßhalten, sondern auch beim Kartenspiel. Aber bald schon erhöhte er den Einsatz auf fünfhundert Zloty. Er verlor, verlor aber nicht die gute Laune. Er ließ von Helene Hirsch Kaffee bringen, die in dem unvermeidlichen schwarzen Kleidchen hereinkam, wieder mit einem geschwollenen Auge. Sie war so zierlich, daß Göth sich vermutlich bücken mußte, wenn er sie schlug. Sie kannte Schindler jetzt, sah ihn aber nicht an. Es war fast ein Jahr her, daß er ihr versprochen hatte, sie hier herauszuholen, und immer, wenn er Göth besuchte, ging er zu ihr in die Küche und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Das tat ihr wohl, änderte aber nichts. Erst vor ein paar Wochen hatte Göth, als er die Suppe nicht richtig temperiert fand, seinen Ukrainern befohlen, sie an der Birke im Garten zu erschießen. Er sah am Fenster stehend zu, wie die beiden sie zwischen sich abführten. Sie lehnte sich gegen den Stamm, denn sie konnte sich kaum auf den Beinen halten vor Angst.
Dann hörte sie Göth rufen: »Bringt das Luder zurück. Ich kann sie immer noch erschießen, und unterdessen lernt sie vielleicht noch was dazu.«
Es kam vor, daß er zwischen seinen Anfällen von Raserei den gütigen Dienstherren spielte, und das wirkte ebenfalls wahnsinnig. So sagte er eines Vormittags: »Du bist jetzt wirklich ein sehr tüchtiges Dienstmädchen, und wenn du nach dem Krieg mal eine Empfehlung brauchst, kannst du jederzeit eine von mir haben.« Das war leeres Gerede, sie wußte es wohl. Sie kehrte ihm das taube Ohr zu, dessen Trommelfell er beschädigt hatte. Früher oder später würde sie einem seiner Wutanfälle zum Opfer fallen, das stand für sie fest.
In solch einem Leben bedeutete das Lächeln eines Fremden nur geringen Trost. Sie stellte die riesige silberne Kaffeekanne neben den Kommandanten — er trank Kaffee immer noch literweise mit viel Zucker -, machte einen Knicks und ging.
Eine Stunde später betrugen Göths Spielschulden bei Schindler bereits 3700 Zloty. Nun machte Schindler ihm einen Vorschlag: Zöge er nach Mähren, brauche er ein geschicktes Dienstmädchen, und ein so gut erzogenes wie Helene Hirsch würde er so bald nicht finden.
Warum sie nicht um diese Jüdin spielten? Und zwar doppelt oder nichts. Verlöre Schindler, wolle er Göth 7400 Zloty zahlen, gewinne Göth mit einem Paar Asse sogar 14 800’. Verlöre er aber, so solle Helene Hirsch auf Schindlers Liste.
Göth mochte sich nicht sogleich entscheiden. »Na, überlegen Sie nicht lange«, ermunterte ihn Schindler, »sie kommt ja doch nach Auschwitz.« Aber so einfach lagen die Dinge nicht, Göth war so sehr an das Mädchen gewöhnt, daß er sie nicht im Kartenspiel verlieren wollte. Dachte er überhaupt je daran, was aus ihr werden sollte, so vermutlich, daß er sie persönlich erschießen wolle. Das war er ihr sozusagen schuldig. Als Ehrenmann wäre er verpflichtet, sie Schindler zu überlassen. Schindler hatte ihn mehr als einmal gebeten, ihm Helene abzutreten, aber er hatte das stets abgelehnt. Noch vor einem Jahr schien es, als werde es immer ein Lager Plaszow geben, und der Kommandant und sein Dienstmädchen würden hier alt werden miteinander, mindestens so lange beisammenbleiben, bis er sie in einer Laune erschoß.
Schindler machte seinen Vorschlag in nachlässigem Ton, er sah sich und Göth offenbar
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