Schindlers Liste
sein. Auch zu Koppe sprach er von der Bedrohung durch Partisanen, die Verbindungen zu Zionisten im Lager hätten und deshalb eine Gefahr darstellten.
Der Obergruppenführer könnte sich gewiß vorstellen, wie schwierig es sei, solche Verbindungen total abzuschneiden, und er als Kommandant fühle sich verpflichtet, beim ersten Anzeichen einer subversiven Aktion einzugreifen. Frage: Falls er erst schießen und nachträglich seinen Papierkram erledigen würde, könne er dann damit rechnen, daß der Obergruppenführer ihn Oranienburg gegenüber decken würde?
Aber klar, sagte Koppe. Dem waren die Bürokraten ebenfalls ein Greuel. Als höherer SS-und Polizeiführer im Warthegau hatte er jene beweglichen Mordvehikel kommandiert, deren Abgase in den mit Untermenschen gefüllten Laderaum geleitet wurden. Auch das war eine Operation, die keine präzise Buchführung erlaubte. »Gebrauchen Sie Ihren gesunden Menschenverstand, dann können Sie auf mich rechnen.«
Schindler hatte schon bei der erwähnten Besprechung bemerkt,daß Göth irgendwas im Schilde führte. Hätte er gewußt, daß Plaszow aufgelöst werden sollte, er hätte sich schon damals einen Reim auf das Verhalten des Kommandanten machen können. Göth mußte sich seines jüdischen Lagerpolizeichefs entledigen, Wilek Chilowicz, der für ihn die Schwarzmarktgeschäfte erledigte. Chilowicz kannte sich in Krakau aus, wußte, wo er Mehl, Reis, Butter verkaufen konnte, die der Kommandant von den für das Lager bestimmten Rationen abzweigte.
Auch kannte er Abnehmer für den kunstgewerblichen Schmuck, der von Häftlingen wie Wulkan im Lager hergestellt wurde. Chilowicz hatte eine ganze Clique um sich versammelt: seine Frau Marysia; Mietek Finkelstein; seine Schwester Frau Ferber und deren Mann. Die bildeten sozusagen die Lageraristokratie. Sie hatten Macht und Einfluß dank ihrer Kenntnis aller Vorgänge, insbesondere der illegalen Transaktionen des Kommandanten.
Sollten sie nach der Schließung des Lagers Plaszow anderswohin kommen, würden sie mit Sicherheit versuchen, ihre Kenntnisse zu verwerten, sei es, daß sie sich plötzlich unter den Selektierten fänden, sei es auch nur, um ihren Hunger zu stillen.
Chilowicz hatte selbstverständlich ebenfalls Bedenken; er fürchtete, nicht lebend aus Plaszow herauszukommen, und Göth verfiel auf den Gedanken, sich eben diese Bedenken seines Handlangers zunutze zu machen.
Er ließ Sowinski in sein Büro kommen, einen zur SS gezogenen Beutedeutschen aus der Hohen Tatra, und heckte mit ihm einen Plan aus. Sowinski sollte Chilowicz heimlich anbieten, ihm zur Flucht zu verhelfen. Und darauf, so rechnete Göth, würde Chilowicz mit Sicherheit eingehen.
Sowinski machte seine Sache gut. Er könne, so sagte er Chilowicz, ihn und seine ganze Clique in einem der großen Lastwagen, die sowohl mit Dieselöl als auch mit Holzgas betrieben würden, aus dem Lager schmuggeln. Chilowicz müsse ihm eine Kontaktperson außerhalb des Lagers nennen, die ihrerseits in der Lage sei, ein Fahrzeug zu stellen. An einem vorher zu vereinbarenden Ort sollten sie dann umsteigen. Chilowicz erklärte sich bereit, für diese Fluchthilfe in Diamanten zu zahlen, verlangte aber zum Zeichen dafür, daß er Sowinski vertrauen könne, von diesem eine Waffe.
Sowinski bekam von Göth eine Pistole mit abgefeiltem Schlagbolzen, die Chilowicz ausgehändigt wurde, der selbstverständlich keine Gelegenheit hatte, ein Probeschießen zu veranstalten. Göth würde also in der Lage sein, gegenüber Koppe und Oranienburg zu behaupten, er habe bei dem Häftling eine Waffe gefunden.
An einem Sonntag Mitte August trafen sich Sowinski und die Chilowicz-Clique im Schuppen, wo das Baumaterial gelagert wurde, und der SS-Mann verbarg die Juden in dem Laster. Dann fuhr er die Jerozolimskastraße hinunter zum Lagertor. Die Kontrolle am Tor würde eine reine Formalität sein, der Lkw unbelästigt aus dem Lager fahren können. Den fünf Juden, die sich im Behälter der Holzgasanlage versteckt hatten, klopfte das Herz bei dem Gedanken, bald aus Göths Reichweite zu sein.
Am Tor allerdings standen Göth, Amthor und Hujer und der Ukrainer Scharujew. Man veranstaltete eine lässige Kontrolle und hob sich den Behälter der Holzgasanlage bis zuletzt auf. Als man die wie Sardinen in dem Behälter eingequetschten Juden »entdeckte«, herrschte große Überraschung. Kaum hatte man Chilowicz ans Tageslicht gezogen, fand Göth die Pistole in dessen Stiefel. Außerdem hatte er die Tasche
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