Schindlers Liste
SS-Posten, ihm eine Flasche Wodka zu besorgen. Dazu drückte er ihm fünfzig Zloty in die Hand.
Das war selbstverständlich dreimal soviel, wie der Wodka kostete, doch das war nun mal Schindlers Methode. Klonowska und Ingrid sorgten dafür, daß er im Laufe des Tages einen Koffer mit Toilettensachen und einem Schlafanzug erhielt. Er bekam eine ausgezeichnete Mahlzeit samt einer halben Flasche ungarischen Weins, und niemand störte ihn, niemand verhörte ihn. Er nahm an, daß der Gestapo-Buchhalter noch mit seinem Hauptbuch beschäftigt war. Gern hätte er ein Radio gehabt und die Nachrichten der BBC über Rußland, den Fernen Osten und aus den nun ebenfalls kriegführenden USA gehört, und er vermutete, daß seine Bewacher ihm eines bringen würden, bäte er darum. Er hoffte, die Gestapo habe nicht seine Wohnung in der Straszewskiegostraße durchsucht und den Wert seiner Möbel und den von Ingrids Schmuck geschätzt.
Als er endlich einschlief, fühlte er sich stark genug, seinen .Vernehmern gegenüberzutreten.
Tags darauf erhielt er ein gutes, reichliches Frühstück, und wieder belästigte ihn niemand.
Und dann bekam er doch Besuch von dem Gestapobeamten, der auch gleich die Bücher mitbrachte. Der wünschte einen guten Morgen. Herr Schindler habe hoffentlich gut geschlafen? Im übrigen sei man der Meinung, jemand, der sich in den einflußreichsten Kreisen eines so guten Rufes erfreue wie Herr Schindler, brauche derzeit nicht besonders gründlich überprüft zu werden.
»Man hat Ihretwegen bei uns angerufen«, sagte der Herr. Schindler war klar, daß dies nicht das letzte war, was er in dieser Sache hören würde. Er nahm die Bücher und bekam das Geld zurück, das man ihm abgenommen hatte.
Klonowska empfing ihn strahlend. Schindler verließ dieses Haus des Todes in seinem üblichen Zweireiher und ohne Kratzer, ihre Mühe hatte sich also gelohnt. Sie führte ihn zu seinem Adler, den sie ihm Hof hatte parken dürfen. Hinten saß der putzige Pudel.
Kapitel 12
Das Kind kam am späten Nachmittag bei Dresners an, auf der Ostseite des Gettos. Das kleine Mädchen war von dem polnischen Ehepaar zurückgebracht worden, bei dem man es auf dem Lande in Pflege gegeben hatte. Die blaue polnische Polizei hatte das Paar passieren lassen, und das Kind gehörte eben dazu.
Die beiden waren anständige Menschen, und sie schämten sich dafür, daß sie die Kleine vom Lande ins Getto brachten; sie sei ein so nettes Kind und ihnen beiden lieb. Aber man konnte auf dem Lande keinem Judenkind mehr Unterschlupf gewähren; die Gemeindebehörden - es war nicht einmal die SS! — zahlten für jeden verratenen Juden 500 Zloty oder mehr, und man durfte seinen Nachbarn nicht trauen. Und es träfe ja nicht nur das Kind, sondern auch die Familie, die es aufgenommen hatte. In manchen Gegenden machten die Bauern mit Sensen und Sicheln Jagd auf die Juden.
Das Kind schien unter den beengten Verhältnissen des Gettos nicht allzusehr zu leiden. Es saß an einem kleinen Tisch zwischen aufgehängter Wäsche und aß von dem Brot, das Frau Dresner ihm gab. Sie hörte die Koseworte, mit denen die Frauen in der Küche sie bedachten.
Frau Dresner fiel auf, daß die Kleine sich außerordentlich vorsichtig ausdrückte. Immerhin war sie auch ein bißchen eitel, und wie die meisten Dreijährigen hatte sie eine Lieblingsfarbe Rot. Da saß sie also mit ihrem roten Mützchen, dem roten Mantel, ihren roten Stiefelchen.
Das Bauernpaar hatte sie verwöhnt.
Frau Dresner erzählte von den Eltern des Kindes, die sich ebenfalls auf dem Lande versteckt hielten, aber demnächst herkommen wollen. Das Kind nickte stumm, aber es schien nicht verschüchtert. Die Eltern hatten auf einer von Spiras Listen gestanden und waren im Januar von der SS zum Bahnhof Prokocim getrieben worden, unter den höhnischen Zurufen polnischer Zuschauer. Beide hatten sich aus der Marschkolonne entfernt, sich unter die Polen gemischt, sich ebenfalls an dem Spottgeschrei beteiligt und waren dann über die Vorstadt hinaus aufs Land gegangen. Dort wurde es jetzt aber unsicher, und so beabsichtigten sie, sich wieder ins Getto zu schmuggeln. Die Mutter von »Rotkäppchen«, wie die Dresnersöhne sie gleich nannten, als sie von der Arbeit nach Hause kamen, war eine Kusine von Frau Dresner.
Bald kam auch Danka, Frau Dresners Tochter, die als Putzfrau auf dem Feldflughafen Krakau arbeitete. Danka war erst vierzehn, sah aber älter aus und hatte eine Kennkarte, mit der sie außerhalb des Gettos zur
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