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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Arbeit gehen durfte. »Ich kenne deine Mutter Eva gut, Genia«, sagte sie zu der Kleinen. »Ich durfte sie oft beim Einkaufen begleiten, und sie hat mir in der Konditorei in der Brackastraße immer Kuchen gekauft.«
    Das Kind reagierte überhaupt nicht.
    Endlich sagte es: »Meine Mutter heißt nicht Eva, sie heißt Jascha.« Und sie nannte noch mehr Namen von erfundenen Verwandten, die die Eltern und das polnische Bauernpaar ihr vorgesagt hatten für den Fall, daß sie je von der polnischen Polizei oder der SS gefragt werden sollte. Dresners hörten sich das an, sie waren bestürzt, aber sie trauten sich nicht, dem Kind zu widersprechen, denn was es da gelernt hatte, mochte schon in der nächsten Woche lebenswichtig sein.
    Zum Essen kam Idek Schindel, ein junger Arzt aus dem Getto-Krankenhaus in der Wegierskastraße. Das war genau der Onkel, nach dem ein kleines Mädchen sich sehnt, und den umarmte sie stürmisch. Und da er die anderen Vettern und Kusinen nannte, waren es wohl wirklich welche, und sie konnte zugeben, daß sie Genia hieß und ihre Mutter Eva und ihre Großeltern nicht Ludwik und Sophia.
    Als dann noch Juda Dresner dazukam, der Einkäufer der Firma Bosch, war die Gesellschaft komplett.
    Der 2.8. April war Schindlers Geburtstag, und den feierte er 1942, wie ein echtes Frühlingskind, lärmend und üppig. Die DEF hatte einen großen Tag. Der Direktor ließ zur Mittagssuppe weißes Brot verteilen, in den Büros und den Werkstätten herrschte Feiertagsstimmung. Es war sein 34. Geburtstag, und er kam schon mit drei Flaschen Cognac unterm Arm in den Betrieb.
    Die wollte er mit den technischen Zeichnern, den Buchhaltern, den Technikern trinken. Er verteilte freigebig Zigaretten an das gesamte Personal, auch an die Arbeiter. Man brachte eine Torte, und Schindler schnitt sie auf Klonowskas Schreibtisch an. Eine Delegation der polnischen und der jüdischen Arbeiter überbrachte Glückwünsche, und er küßte eine junge Polin namens Kucharska, deren Vater vor dem Krieg im polnischen Parlament gesessen hatte. Dann kamen ein paar Jüdinnen und gratulierten, dann jüdische Arbeiter, denen er die Hand schüttelte, und endlich noch Stern, der jetzt bei den Progress-Werken war und von Schindler herzlich umarmt wurde.
    Und am Nachmittag wurde Schindler wiederum denunziert, nun wegen seines Verhaltens gegenüber den Juden. Seine Bücher mochten ja in Ordnung sein, aber niemand konnte leugnen, daß er die Rassengesetze mißachtete.
    Diesmal wurde die Verhaftung professioneller vorgenommen. Am 29. April morgens blockierte ein Gestapo-Mercedes die Einfahrt, und zwei Zivilisten verhafteten ihn im Werkshof wegen Verstoßes gegen die Rassengesetze.
    »Haben Sie einen Haftbefehl?« fragte er.
    »Brauchen wir nicht.«
    Er sagte freundlich, die Herren würden es noch bedauern, wenn sie ihn ohne Haftbefehl festnähmen. Er sagte das lässig und erkannte doch an ihrem Betragen, daß diese Festnahme gefährlicher war als seine halbkomische Verhaftung im vergangenen Jahr. Diesmal ging es um die Übertretung von Vorschriften, die sich nur kranke Gehirne ausgedacht haben konnten.
    Das war wesentlich ernster zu nehmen.
    »Das lassen Sie nur unsere Sache sein«, wurde ihm geantwortet. Er konnte sich nicht darüber täuschen, daß diese beiden ihrer Sache sicher zu sein schienen, und tröstete sich mit dem Gedanken an das halbwegs bewohnbare Zimmer in der Pomorskastraße. Doch als der Wagen in die Kolejowastraße einbog, wußte er: Diesmal geht es ins Gefängnis in der Montelupichstraße.
    »Ich möchte meinen Anwalt sprechen«, sagte er.
    »Das können Sie später«, hieß es.
    Von einem Bekannten wußte Schindler, daß das anatomische Institut der Universität Leichen aus dem Gefängnis bekam. Die Gefängnismauer zog sich einen ganzen Straßenblock entlang, und Schindler sah aus dem fahrenden Wagen die gleichförmigen Fenster im zweiten und dritten Stockwerk. Man nahm ihm sein Geld ab, eröffnete ihm aber, daß er täglich über fünfzig Zloty verfügen dürfe. Einen Anwalt dürfe er vorderhand nicht beizeiten. Man führte ihn in den Keller, vorbei an verschlossenen Zellen mit Gucklöchern. Durch eine offenstehende Zellentür sah er etwa ein halbes Dutzend Häftlinge, die in Hemdsärmeln auf Pritschen saßen, die Gesichter der Wand zugekehrt. Er fürchtete, in eine überfüllte Zelle gelegt zu werden, doch die, in die man ihn nun einwies, war nur von einem einzigen Gefangenen belegt, einem Soldaten, der seinen Mantelkragen hochgeschlagen

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