Schindlers Liste
Blondhaares ein und unterstrich den Namen Bosch. Bosch hatte Einfluß; er beriet sämtliche hohen Funktionäre in Krakau, die auf dem schwarzen Markt Geschäfte machten. Und Schindler wußte, daß seine Verhaftung irgendwie mit Schwarzmarktgeschäften zu tun hatte, die deshalb so gefährlich waren, weil man zwar immer einen bestechlichen Amtsträger fand, aber nie sicher sein konnte, ob einen nicht ein neidischer Angestellter denunzierte.
Der vierte Name war der des deutschen Aufsichtsratsvorsitzenden der Ferrum AG in Sosnowiec, von dem Schindler seinen Stahl bezog. Diese Namen verschafften ihm Trost, während er im Mercedes der Gestapo zur Pomorskastraße fuhr, etwa einen Kilometer westlich des Stadtzentrums. Die garantieren dafür, daß er nicht spurlos in der Mühle verschwinden würde. Er war nicht so schutzlos wie die Gettobewohner, die auf Spiras Liste standen und in einer kalten Adventsnacht auf dem Bahnhof Prokocim in Viehwagen verladen worden waren.
Schindler hatte Beziehungen.
Der Dienstsitz des Kommandeurs der Sicherheitspolizei von Krakau war ein riesiges, modernes Bauwerk, nüchtern, aber nicht so düster wie das Gefängnis in der Monlelupichstraße. Aber auch wer nicht an die Gerüchte von den dort stattfindenden Folterungen glaubte, geriet beim Betreten des Gebäudes in heillose Verwirrung, denn unzählige Korridore und Türen ließen einen glauben, in einen kafkaesken Alptraum geraten zu sein. In diesem Bienenkorb geriet Schindler an einen Gestapobeamten mittleren Alters, der von Wirtschaftsfragen mehr zu verstehen schien als die beiden, die ihn verhaftet hatten. Der Mann gab sich nachlässig amüsiert wie ein Zollbeamter, der feststellt, daß jemand, den man eines Devisenvergehens verdächtigt, in Wahrheit nur Grünpflanzen im Gepäck hat.
Er erklärte Schindler, alle mit der Kriegsproduktion befaßten Unternehmen würden überprüft. Schindler glaubte dies nicht, widersprach aber nicht. Herr Schindler verstehe gewiß, daß solche Firmen auch moralisch verpflichtet seien, ihre gesamte Produktion für Kriegszwecke zur Verfügung zu stellen und die Wirtschaft im Generalgouvernement nicht durch illegale Transaktionen schädigen dürften?
»Heißt das«, grollte Schindler in jenem ihm eigentümlichen Ton, der sowohl bedrohlich als auch wohlwollend klingen konnte, »man verdächtigt mich, meinen Lieferpflichten nicht nachzukommen?«
»Sie leben nicht schlecht«, sagte der Beamte ausweichend und so, als halte er es für selbstverständlich, daß Unternehmer nun mal einen aufwendigen Lebensstil haben. »Aber wenn jemand einen Aufwand treibt wie Sie, müssen wir uns mal ansehen, ob er das von den Einkünften kann, die er aus legalen Geschäften zieht.«
Schindler lächelte breit. »Wer mich bei Ihnen denunziert hat, ist ein Esel und verschwendet nur Ihre Zeit.«
»Wer ist Ihr Geschäftsführer?«
»Abraham Bankier.«
»Ein Jude?«
»Selbstverständlich. Die Firma hat früher Verwandten von ihm gehört.«
Die beschlagnahmten Unterlagen dürften wohl ausreichen, sagte der Beamte, doch falls man mehr brauche, könne dieser Bankier sie wohl herbeischaffen?
»Soll das heißen, Sie wollen mich hier festhalten?« Schindler lachte. »Nun, wenn ich Oberführer Scherner von diesem Mißverständnis erzähle, werde ich jedenfalls erwähnen, daß Sie mich mit größter Zuvorkommenheit behandelt haben.«
Man brachte ihn in den ersten Stock, wo er durchsucht wurde. Zigaretten und hundert Zloty für private Einkäufe durfte er behalten. Sodann wurde er in ein Zimmer gesperrt, eines der behaglichsten, wie er vermutete, denn es gab hier ein bequemes Bett und eine Waschgelegenheit samt Toilette, und vor den vergitterten Fenstern hingen staubige Gardinen.
Vermutlich wurden hier angeschuldigte höhere Funktionäre während ihres Verhörs beherbergt. Ließ man sie gehen, konnten sie sich nicht beklagen, wenn sie auch nicht gerade begeistert sein würden.
Wies man ihnen Wirtschaftsvergehen oder gar Hochverrat nach, fanden sie sich, so rasch, als hätte sich der Fußboden unter ihnen geöffnet, reglos und blutig geschlagen im Keller, in einer der nebeneinander gelegenen Zellen, die man Straßenbahn nannte, wieder, mit der Aussicht, im Montelupichgefängnis zu enden, wo man die Häftlinge in ihren Zellen erhängte. Schindler betrachtete die Tür. Wenn mich einer anfaßt, dachte er, sorge ich dafür, daß er nach Rußland kommt.
Das Warten fiel ihm schwer. Nach einer Stunde klopfte er an die Tür und beauftragte den
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