Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
Vom Netzwerk:
setzte sich die berufliche Routine durch. Die wachsenden Häufchen wurden von SS-Leuten in die Kisten umgefüllt und diese mit der Aufschrift REICHSFÜHRER SS BERLIN versehen. Die den europäischen Juden geraubten Wertsachen wurden also in Himmlers Namen bei der Reichsbank deponiert.
    Es waren viele Kinderringe dabei, und den Gedanken an deren Herkunft mußte man verdrängen. Nur einmal starrten die Juweliere wie gelähmt auf den vor ihnen ausgeschütteten Inhalt eines Koffers: Goldzähne, noch mit getrocknetem Blut daran. Die erinnerten zu eindringlich an Tausende von Toten und schienen die vier Männer dazu aufzufordern, ihr Gerät von sich zu schleudern und laut die Herkunft dieses Goldes anzuprangern. Nachdem aber der erste Schock sich gelegt hatte, fuhren die vier in ihrer Arbeit fort, nun allerdings in dem Bewußtsein, selber das begehrte Material in ihren Zähnen zu haben, und von der Angst gepackt, man könnte es ihnen entreißen.
    Sechs Wochen dauerte es, die Schätze in der Technischen Hochschule zu sortieren. Von dort wurden sie in eine stillgelegte Garage geführt, die zu einem Silberspeicher umgewandelt worden war. Die Abschmiergruben waren bis zum Überquellen mit Schmuck und zeremoniellem Silbergerät gefüllt. Sie mußten das nur Versilberte vom massiv Silbernen trennen, und alles wurde gewogen. Als einer der SS-Leute darüber klagte, wie mühsam es sei, das in den Synagogen und am Sabbat benutzte Tafelgerät und die Leuchter zu verpacken, schlug Wulkan vor, doch alles einzuschmelzen, denn, obwohl er kein gläubiger Jude war, hätte ihm das eine gewisse Befriedigung verschafft. Das durfte aber nicht geschehen.
    Möglich, daß dieser Silberschatz in irgendein Museum wandern sollte, möglich auch, daß der Kunstwert der Arbeiten erkannt wurde.
    Als dies vorüber war, stand Wulkan wieder ohne Arbeit da. Und doch mußte er eine Möglichkeit finden, das Getto zu verlassen, um Lebensmittel für seine Frau und seine lungenkranke Tochter aufzutreiben. Er fand Arbeit in einer metallverarbeitenden Fabrik in Kazimierz und machte die Bekanntschaft eines gemäßigten SS-Unterführers, Gola mit Namen. Der Oberscharführer verschaffte ihm Arbeit in einer Kaserne unweit des Wawel als Gehilfe des Hausmeisters. Als er zum ersten Mal mit seinem Werkzeug die Kantine betrat, las er über der Tür den Hinweis FÜR JUDEN UND HUNDE EINTRITT VERBOTEN.
    Dieses Schild und die Goldzähne, die durch seine Hände gegangen waren, machten ihm endgültig klar, daß er sich Rettung nicht von der lässigen Großmut eines Oberscharführers Gola versprechen durfte. Gola kam in die Kantine, ohne das Verbotsschild zu beachten, und ihm würde auch nicht auffallen, daß Wulkan samt den Seinen nicht mehr da war, sobald man sie nach Belzec oder an einen ähnlichen Ort verbracht hätte. Wulkan wußte ebenso wie Frau Dresner und fünfzehntausend weitere Gettobewohner, daß die Rettung nur auf unerwartete, ungeahnte Weise erfolgen konnte, und daran glaubte keiner.
    Kapitel 18
    Dr. Sedlacek hatte eine unbequeme Reise in Aussicht gestellt, und so war sie denn auch.
    Schindler trug einen warmen Mantel, führte einen Koffer und eine Reisetasche mit dem Nötigsten bei sich sowie ordnungsgemäße Papiere. Die wollte er an der Grenze aber nicht vorzeigen. Man hielt es für besser, wenn niemand ihm nachweisen konnte, daß er in jenem Dezember nach Ungarn eingereist war.
    Also machte er die Fahrt in einem Güterwagen voller Exemplare des Völkischen Beobachters, die für Ungarn bestimmt waren. Man hatte ein Zimmer im Pannonia für ihn genommen, unweit der Universität, und am Nachmittag seines Ankunftstages erhielt er den Besuch des kleinen Springmann und eines Dr. Rezso Kastner. Beide ·Männer hatten mit Flüchtlingen gesprochen, aber von denen war nichts Wesentliches zu erfahren gewesen. Schon die Tatsache, daß sie hatten fliehen können, bewies, daß sie Einzelheiten, Lage und Funktionsweise der Vernichtungslager nicht kennen konnten. Falls Sedlacek recht hatte, würden sie von diesem Sudetendeutschen den ersten umfassenden Bericht über die Massenmorde in Polen erhalten.
    Man kam gleich zur Sache. Schindler ging, von innerer Unruhe getrieben, im Zimmer auf und ab —, was er zu sagen hatte, setzte ihm hier, fern von Krakau und den Aktionen im Getto, offenbar mehr zu als dort. Er gab zunächst seine eigenen Eindrücke von den Vorgängen im Getto wieder, erwähnte, was er von Juden und von Angehörigen der SS gehört hatte. Er brachte Briefe zum

Weitere Kostenlose Bücher