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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Umstände Interesse zeigen. Raha-mim maher. (Hilfe ist dringend notwendig.) Bitte halten Sie Verbindung.«
    Absender war ein Budapester Juwelier namens Samu Springmann, der eine Postkarte aus Istanbul erhalten hatte. Ein kleiner Mann, nicht größer als ein Jockey, Mitte der Dreißig, war er gewöhnt, Schmiergelder zu zahlen, Diplomaten gefällig zu sein, die ungarische Geheimpolizei zu bestechen. Nun sollte er Hilfsgelder an die im besetzten Gebiet lebenden Juden verteilen und nach Istanbul berichten, was da wirklich vorging.
    Springmann und seine zionistischen Freunde in Ungarn wußten ebensowenig, was jenseits der Grenze zu Polen passierte, wie das Büro in Istanbul. Springmann sah sich nach Leuten um, die bereit waren, Nachrichten für ihn zu sammeln. Einer davon war Erich Popescu, Diamantenhändler und Agent der ungarischen Geheimpolizei; ein anderer war Bandi Grosz, Teppichschmuggler und ebenfalls Polizeispitzel. Ein dritter war Rudi Schulz, österreichischer Safeknacker und Gestapoagent. Springmann verstand es, mit diesen Leuten umzugehen, er appellierte an ihre Gier, ihre Sentimentalität, an ihre Grundsätze, falls sie welche hatten.
    Es gab auch Idealisten unter seinen Kurieren, und Sedlacek gehörte dazu. Er unterhielt in Wien eine gutgehende Zahnarztpraxis, war Mitte Vierzig und hatte es nicht nötig, einen Koffer mit doppeltem Boden durch Polen zu schleppen. Aber da war er nun, mitsamt der Liste aus Istanbul, und der zweite Name auf dieser Liste lautete Oskar Schindler. Irgendwie mußten die Zionisten in Palästina auf ihn aufmerksam geworden sein, vielleicht durch Stern, durch Ginter, durch Biberstein. Er ahnte jedenfalls nicht, daß man ihn zu den Gerechten zählte.
    Dr. Sedlacek kannte in Krakau einen ehemaligen Patienten, einen Major der Wehrmacht, Franz von Korab. Mit dem verabredete er sich für den Abend im Hotel Krakowia. Der Tag war trübe gewesen, und Sedlacek hatte über die Weichsel hinweg das Getto von Podgorze betrachtet, das mit seinem nachgemachten orientalischen Tor einen besonders niederschmetternden Anblick bot; selbst die Polizisten machten den Eindruck von Verdammten.
    Korab hatte angeblich eine jüdische Großmutter. Derartige Spekulationen waren nichts Ungewöhnliches, man flüsterte sogar, Heydrichs Großmutter sei mit einem Juden namens Süß verheiratet gewesen, Korab vertraute Sedlacek an, daß die Vermutung in seinem Fall zutreffend sei. Sedlacek fühlte sich also berechtigt, den Major nach einigen Leuten auf der Istanbuler Liste zu fragen. Korab kannte Schindlet, beschrieb ihn als einen gutaussehenden Burschen, der das Geld nur so scheffelte. Viel gerissener, als er merken ließ. Keine Mühe, eine Verabredung mit ihm zu treffen.
    Um zehn Uhr am folgenden Tag betraten beide Herren Schindlers Büro, wo der Major sie bald allein ließ. Sedlacek vertraute Schindler an, wer seine Auftraggeber waren, erwähnte aber nichts von dem Geld, sagte auch nicht, daß Vertrauenspersonen in Polen von Jewish Joint Distribution Committee erhebliche Barmittel erhalten würden. Der Zahnarzt wollte zunächst wissen, was Schindler über den Stand des Krieges der Deutschen gegen die Juden wußte.
    Schindler zögerte, und Sedlacek erwartete eine ausweichende Antwort. Schindler beschäftigte immerhin 550 Juden, die er von der SS gemietet hatte; die Rüstungsinspektion garantierte ihm fortlaufend gewinnbringende Aufträge; die SS stellte ihm für RM 7,50 pro Tag soviel Sklaven, wie er wollte. Es wäre also nicht überraschend, wenn er jede Kenntnis abgestritten hätte.
    Schindler zögerte jedoch aus einem anderen Grund: »Ich weiß nicht, ob Sie glauben werden, was mit den Juden hierzulande geschieht«, sagte er endlich.
    »Soll das heißen, Sie vermuten, daß meine Auftraggeber Ihnen nicht glauben könnten?«
    »Ich kann es ja selber kaum glauben.« Er schenkte seinem Besucher und sich einen Cognac ein, stierte auf einen Lieferschein, ging damit zur Tür und riß sie auf, wie um einen Horcher zu ertappen. Dann sprach er polnisch mit seiner Sekretärin, kam zurück, setzte sich, nahm einen Schluck und berichtete.
    Auch in Sedlaceks Wiener regimefeindlicher Zelle wußte man nicht, daß die Judenverfolgung derart systematisch betrieben wurde. Das war auch schwer zu glauben, nicht aus moralischen Gründen, sondern weil es unvorstellbar schien, daß die Nationalsozialisten während eines Krieges auf Tod und Leben Tausende von kampffähigen Männern, dringend benötigte Waggons, die ohnedies überlastete

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