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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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er ebensowenig wie Schindler.
    Der Befehl, der ihm die Liquidierung des Gettos und das Kommando über das Zwangsarbeitslager Plaszow übertrug, war vom 12. Februar 1943 datiert. Er hoffte, Mitte März mit der Räumung des Gettos beginnen zu können.
    Göth wurde am Krakauer Bahnhof von Kunde empfangen und dem jungen Pilarzik, der vorderhand mit dem Kommando über die Lager Prokocim und Wieliczka betraut war. Sie begaben sich sogleich im Wagen zu einer Besichtigung des Gettos und des im Entstehen begriffenen neuen Lagers Plaszow. Der Tag war bitterkalt, und als sie die Weichsel überquerten, begann es zu schneien. Göth nahm dankbar einen Schluck aus Pilarziks Schnapsflasche. Der Wagen rollte durch das orientalische Tor und entlang der Lwowskastraße, welche das Getto durchschnitt. Kunde, ehedem Zollbeamter, gab eine knappe Beschreibung. »Zur Linken sehen Sie das Getto B«, sagte er, »dessen Bewohner, etwa 2000, bislang noch unbehelligt geblieben sind, weil die meisten irgendwo beschäftigt sind. Wir haben unterdessen neue Kennkarten ausgegeben, markiert mit Großbuchstaben: W für Wehrmacht, Z für Verwaltung, R für Rüstungsindustrie. Niemand im Getto B hat solche Kennkarten, und deshalb werden die Bewohner der Sonderbehandlung zugeführt. Man könnte vielleicht am besten bei denen anfangen, aber das müssen selbstverständlich Sie entscheiden.«
    Der rechter Hand liegende Teil des Gettos war erheblich größer, und hier lebten etwa 10 Personen. Die sollten zunächst einmal die Zwangsarbeiter für Plaszow stellen. Es war anzunehmen, daß die deutschen Unternehmer — Bosch, Madritsch, Beckmann, Schindler ihre Betriebe ganz oder teilweise ins Lager verlegen würden. Es gab ferner ein Kabelwerk, etwa einen Kilometer vom Lagerareal entfernt, und dorthin konnten die Arbeiter täglich marschieren.
    Am Hof des Kabelwerkes, wo riesige Rollen unter Schnee begra-1 ben lagen, bog man rechts ab. Hier begann die Jerozolimskastraße. Göth erblickte undeutlich einige Frauen, die Barackenteile über die Landstraße und die Jerozolimskastraße hinauftrugen; sie kamen vom Bahnhof Krakau-Plaszow und hausten im Lager Prokocim, wie Pilarzik erläuterte. Das werde nach Fertigstellung des Lagers Plaszow selbstverständlich geschlossen.
    Göth schätzte die Entfernung, die die Frauen mit den Barackenteilen zurücklegen mußten, auf etwa einen knappen Kilometer. »Und immer bergauf«, bemerkte Kunde, womit er andeuten wollte, einerseits ist das eine gute Übung für die Frauen, andererseits verlangsamt es die Bauarbeiten. Göth meinte, man müsse ein Anschlußgleis zum Lager legen lassen. Er werde mal bei der Ostbahn vorsprechen. Rechter Hand stand eine Leichenhalle, und hinter einer halbzerfallenen Mauer ragten Grabsteine auf. Der jüdische Friedhof war Teil des Lagerareals.
    »Ein großer Friedhof«, bemerkte Kunde. »Nun, dann haben die Juden es ja nicht weit«, erwiderte Göth gut gelaunt.
    Ebenfalls zur Rechten stand ein Haus, das der Kommandant vorerst bewohnen könne, daneben ein großes neues Verwaltungsgebäude. Die Leichenhalle bei der Synagoge sei schon teilweise gesprengt und könne als Stall dienen. Von hier aus sah man die beiden Kalksteinbrüche, die zum Lager gehörten. Einer lag in einer Senke, der andere auf dem Hügel hinter der Synagoge. Feldbahngeleise waren für den Transport der Steine ausgelegt. Sobald es aufhörte zu schneien, konnte man weiter verlegen.
    Sie fuhren zum südöstlichen Ende des Lagerareals und einen jetzt im Schnee kaum zu befahrenden Weg auf dem Kamm des Hügels entlang bis zu einer ehemaligen österreichischen Batteriestellung, einer kreisrunden Mulde, eingefaßt von einem aufgeschütteten Wall. Von hier aus konnte die nach Rußland führende Straße unter Beschuß genommen werden. Göth fand, dieser Platz eigne sich vorzüglich zur Bestrafung von Häftlingen.
    Man überblickte von hier oben das ganze Lagergelände. Ein breites Tal zwischen zwei Hügeln, der jüdische Friedhof der einzige Schmuck. In diesem Wetter glich es zwei fast unbedruckten Seiten eines aufgeschlagenen Buches, das man ein wenig schräg hält. Am Eingang zum Tal stand ein ländliches Gebäude aus grauem Stein, und daran vorüber zogen die jenseitige Anhöhe hinauf Gruppen von Frauen durch die schneeig schimmernde Dunkelheit des sinkenden Abends, schwarz wie eine Notenschrift. Sie kamen aus den eisigen Gassen jenseits der Jerozolimskastraße und schleppten Fertigteile von Baracken und legten sie ab, wo Ingenieure der SS,

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