Schindlers Liste
jüdischen Arzt Dr. Leon Gross, nach Plaszow geschickt und in den Steinbruch kommandiert worden war. Erik fand sein größtes Vergnügen darin, nicht an Handarbeit gewöhnte Intellektuelle zu schikanieren.
Er prügelte Goldblatt, als der sich ungeschickt mit dem Werkzeug anstellte, und die Prügel setzten sich über Tage fort. Erik, einige Ukrainer und SS-Leute beteiligten sich daran. Es endete damit, daß man den bewußtlosen Dr. Goldblatt zur Krankenstube schaffte, wo Dr.Leon Gross sich weigerte, ihn aufzunehmen. Und so, von diesem Mediziner gedeckt, trampelten Erik und ein SS-Mann Goldblatt zu Tode.
Stern verhielt also beim Steinbruch, weil er ebenso wie Schindler und etliche andere im Lager glaubte, daß irgendwann einmal irgendwo ein Richter fragen würde: Wo genau hat sich das zugetragen?
Schindler verschaffte seinen Besuchern einen Überblick über das Lager, indem er sie nach Chujowa Gorka hinauf in die ehemalige Feuerstellung führte, wo sie die blutigen Schubkarren sahen, mit denen die Leichen Erschossener in den nahen Wald transportiert wurden. In den Kiefernwäldern waren bereits Tausende verscharrt worden. Als die Russen von Osten anrückten, fielen ihnen diese Opfer eher in die Hände als die noch lebenden oder schon halbtoten Häftlinge von Plaszow.
Als Industriebetrieb betrachtet, war Plaszow eine Enttäuschung. Göth, Bosch, Leo John, Josef Neuschel und andere meinten, hier Vorbildliches geschafft zu haben, einzig weil es sie reich machte. Sie wären erstaunt gewesen zu hören, daß sie ihr einträgliches Sybaritendasein nicht dem Umstand verdankten, daß die Rüstungsinspektion ihre Leistungen schätzte. Nutzen aus der hier geleisteten Arbeit zogen einzig der Kommandant und seine Clique.
Daß den Betrieben im Lager Plaszow überhaupt noch Rüstungsaufträge gegeben wurden, mußte jeden unbefangenen Beobachter verblüffen, denn die Anlagen waren veraltet und recht jämmerlich.
Aber es gab im Lager scharfsinnige Zionisten, die es verstanden, moralischen Druck auf Außenstehende wie Schindler und Madritsch auszuüben, die den entsprechenden Druck auf die Rüstungsinspektion weitergeben konnten. Weil der Hunger und die noch
unsystematischen Mordtaten in Plaszow dem mechanisierten Massenmord in Auschwitz und Belzec vorzuziehen waren, erklärte Schindler sich bereit, mit den Herren von der Rüstungsinspektion immer wieder zu verhandeln. Man verzog zwar das Gesicht, man sagte:
»Sie meinen das doch nicht im Ernst?«, und doch ließ man ihm immer wieder Aufträge für Göths Lager zukommen, bestellte Schaufeln, die aus dem anfallenden Schrott in der Lipowastraße gemacht wurden. Daß die Wehrmacht je in den Besitz der Schaufeln samt Stielen kommen würde, war ungewiß. Von den Leuten, mit denen Schindler in der Rüstungsinspektion zu tun hatte, wußten die meisten, was hinter seinen Bemühungen steckte, sie wußten, daß der Fortbestand des Zwangsarbeitslagers Plaszow das Überleben einer Anzahl Zwangsarbeiter garantierte. So mancher mußte sich überwinden, weil er wußte, daß Göth ein Lump war und für einen aufrechten altmodischen Patrioten ein unerträglicher Anblick.
Im Fall Roman Ginter zeigte sich das Groteske dieser Zustände besonders deutlich, grotesk insofern, als die Sklaven alles taten, um dem Sklavenhalter sein Reich zu sichern, auch wenn sie dabei mit dem Tode spielten. Ginter, ehedem Unternehmer und jetzt Kapo in der Schlosserei, aus der Levartov gerettet worden war, wurde zum Kommandanten gerufen.
Kaum eingetreten, wurde er mit Schlägen traktiert und gleich darauf ins Freie gezerrt und an die Wand gestellt. Ginter fragte: »Darf ich erfahren, warum das alles geschieht?« Er bekam wieder Prügel und die Antwort: »Weil du die Handschellen nicht geliefert hast, die ich bestellt habe, darum!« »Die habe ich gestern Oberscharführer Neuschel gegeben, Herr Kommandant.«
Göth stieß Ginter ins Haus zurück und rief Neuschel. »In der linken oberen Schreibtischschublade, Hauptsturmführer«, sagte Neuschel. Göth sah nach. »Und deshalb hätte ich den Kerl beinahe umgebracht«, beklagte er sich bei seinem jungen Schützling.
Eben dieser Ginter, der vor dem Verwaltungsgebäude Zähne in den Sand spuckt, diese jüdische Null, deren willkürliche Ermordung Göth seinem Untergebenen vorgeworfen hätte, dieser Ginter geht mit einem Passierschein zu Schindler in die DEF und bittet ihn um Ersatzteile für Maschinen in Plaszow, um möglichst viel Schrott, damit nicht die Schlosser von
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