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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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das Lager wirklich gehörte, indem sie Krautwirt nach Plaszow holte und ihn dort erhängen ließ. Die wenigen Überlebenden des Lagers Plaszow berichteten als erstes über diese Hinrichtung, wenn sie ihre eigene Leidensgeschichte erzählt hatten. Der Galgen in Plaszow ähnelte einem Fußballtor und erschreckte ebenso wie der von Auschwitz nicht durch seinen eindrucksvollen Anblick, sondern durch eben diese banale Allegorie. Aber seinen Zweck erfüllte er nichtsdestoweniger.
    Außer Krautwirt sollte ein Sechzehnjähriger namens Haubenstock erhängt werden. Krautwirt mußte sterben, weil er mit gewissen aufwieglerischen Elementen in Krakau korrespondiert hatte, während Haubenstock dabei ertappt worden war, daß er russische Lieder sang, angeblich, um die ukrainischen Posten zum Bolschewismus zu bekehren.
    Erhängungen fanden unter völligem Schweigen der auf dem Appellplatz angetretenen Häftlinge statt, deren Reihen von Männern und neuerdings auch Frauen patrouilliert wurden, die sich ihrer Machtfülle sehr bewußt waren: Hujer und John, Scheidt und Grün, Landstorfer, Amthor und Grimm, Ritschek und Schreiber sowie den gewandt mit Gummiknüppel hantierenden Aufseherinnen Alice Orlowski und Luise Danz. Was die Verurteilten etwa noch zu sagen hatten, war also gut zu verstehen.
    Krautwirt blieb anfangs stumm, doch der Junge beteuerte verzweifelt seine Unschuld. Der Henker, ein jüdischer Schlachter aus Krakau, der für ein anderes Verbrechen begnadigt worden war, weil er sich zu diesem Amt bereit fand, stellte Haubenstock auf einen Hocker und legte ihm die Schlinge um den Hals. Er wußte, daß Göth den Jungen als ersten sterben lassen wollte, damit das Geschrei aufhörte. Der Schlachter trat also den Hocker unter Haubenstocks Füßen weg. Der Strick riß, und der Junge kroch auf den Knien zu Göth, umklammerte dessen Beine und bat um Erbarmen. Göth stieß den Jungen mit dem Fuß weg und schoß ihn in den Kopf. Krautwirt, der dies mit angesehen hatte, schnitt sich beide Pulsadern mit einer . Rasierklinge auf, die er in seiner Kleidung versteckt hatte. Göth befahl dem Henker, gleichwohl die Hinrichtung vorzunehmen, und zwei Ukrainer hoben ihn auf den Hocker. Das hervorspritzende Blut tränkte ihre Uniformjacken, während Krautwirt mit dem Strick erdrosselt wurde.
    Es war nur allzu verständlich, daß Häftlinge sich einzureden versuchten, jede dieser barbarischen Mordtaten sei die letzte ihrer Art gewesen, es müsse sich doch eine Änderung in den Methoden von Menschen wie Göth irgendwann vollziehen, und wenn nicht in denen, dann in jenen nie erblickten Bürokraten, die das alles von ihren Schreibtischen in gepflegten Büros mit gewachstem Parkett und dem Ausblick auf Grünanlagen teils veranlaßten, teils duldeten. Als Dr. Sedlacek zu seinem zweiten Besuch nach Krakau kam, dachten er und Schindler sich einen Plan aus, der in den Augen analysierender Beobachter nur naiv wirken konnte. Es war Schindler, der auf den Gedanken verfiel, Göth verhalte sich womöglich deshalb so brutal, weil er Unmassen von Schnaps trank und sich so über mögliche Folgen seiner Handlungen überhaupt keine Rechenschaft ablegte. Deshalb solle man einen Teil des von Sedlacek mitgebrachten Geldes zum Ankauf von wirklich erstklassigem Cognac verwenden, der in Polen gar nicht einfach zu beschaffen war. Mit dem sollte Schindler sein Glück bei Göth versuchen, ihm im Laufe eines ausführlichen Gespräches klarmachen, daß der Krieg so oder so einmal zu Ende gehen und dann die Taten gewisser Einzelpersonen untersucht werden würden. Selbst Leute, die ihm wohlgesonnen seien, könnten sich dann daran erinnern, daß er so manches Mal allzu großen Eifer bewiesen habe. Es lag in Schindlers Charakter zu glauben, man könne sich mit dem Teufel an einen Tisch setzen und über einem Cognacschwenker das Böse wenigstens zum Teil aus der Welt schaffen. Nicht etwa, daß er vor radikaleren Maßnahmen zurückgeschreckt wäre, sie kamen ihm nur nicht in den Sinn. Er war seit je ein Mann des Handelns und Verhandelns.
    Wachtmeister Oswald Bosko, ehedem mit der Aufsicht über den Außenbezirk des Gettos betraut, war da von ganz anderer Art. Er fand es unerträglich, innerhalb des Systems zu arbeiten, hier eine Erleichterung zu schaffen, dort jemand mit falschen Papieren auszurüsten, ein Dutzend Kinder aus dem Getto zu schmuggeln, während Hunderte auf Transport gingen.
    Also verließ er seinen Posten in Podgorze und verschwand in den Wäldern von

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