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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Trostlosigkeit, die Verlassenheit wieder, die dort herrschten. Es existierten sogar Nahaufnahmen von Göth auf seiner Terrasse in der Sonne. Nahezu 120 Kilo wog er jetzt, und der SS-Arzt Blancke ermahnte ihn dringlich abzunehmen. Titsch knipste Rolf und Alf, wie sie in der Sonne tollten, knipste Majola, die einen der Hunde am Halsband hielt und so aussah, als mache ihr das Vergnügen. Und er machte eine Aufnahme von Göth in voller Pracht auf seinem Schimmel.
    Die Filme entwickelte er nicht, die Rollen waren leichter zu verbergen. Er versteckte sie in seiner Krakauer Wohnung, wo er auch Wertsachen für Madritschs Juden aufbewahrte. Viele Juden trugen einen allerletzten Schatz mit sich herum, etwas, womit man im Augenblick der größten Gefahr den Mann mit der Liste bestechen konnte oder den, der die Tür des Viehwaggons schloß. Titsch war klar, daß nur die ganz Hilflosen solche Schätze bei ihm deponierten. Wer Ringe, Uhren und Schmuck im Lager verstecken konnte, brauchte seine Hilfe nicht.
    Als es mit Plaszow zu Ende war, als Scherner und Czurda sich abgesetzt hatten und die sorgsam geführten Lagerakten der SS als Beweismittel verladen worden waren, entwickelte Titsch die Filme immer noch nicht. Die geheime Hilfsorganisation ODESSA der SS führte ihn in ihren Listen als Vaterlandsverräter. Die Presse hatte nämlich darüber berichtet, daß er Madritschs Gefangene ernährt und daß die Regierung Israels ihn für die von ihm bewiesene Menschlichkeit geehrt hatte. Und dafür erhielt er in Wien, wo er nach dem Kriege wohnte, Drohbriefe. Zwanzig Jahre lang ruhten die Filme in der Kassette in der Grünanlage eines Wiener Vorortes, wo Titsch sie vergraben hatte, und sie lägen dort wohl immer noch, wenn nicht 1963 Leopold Pfefferberg, einer der überlebenden Schindlerjuden, sie ihm für Dollar abgekauft hätte. Titsch litt damals an einer unheilbaren Herzkrankheit und stellte gleichwohl noch die Bedingung, daß die Filme erst nach seinem Tode entwickelt werden dürften. Der unheimliche Schatten von ODESSA machte ihm noch immer angst. Nach seinem Tode wurden die Filme entwickelt, und fast alle Bilder waren gut geworden.
    Keiner der wenigen Überlebenden des Lagers Plaszow hat je abfällig von Raimund Titsch gesprochen. Aber der Held eines Mythos ist er nicht geworden. Schindler war einer. Die ehemaligen Häftlinge erzählen gern von einem Vorfall, der sich Ende 1943 zugetragen haben soll und mythischen Charakter hat. Es kommt dabei nicht darauf an, ob wahr ist, was erzählt wird, auch nicht, ob es wahr sein sollte, sondern darauf, daß es wahrer ist als wahr. Hört man solche Geschichten erzählen, wird einem klar, daß Titsch den Häftlingen in Plaszow als hilfreicher Eremit erschienen ist, Schindler aber als eine Art niedere Gottheit, doppelgesichtig wie aus der griechischen Mythologie, ausgestattet mit menschlichen Lastern, vielhändig, mächtig, imstande, nach Lust und Laune zu retten.
    Berichtet wird, daß die SS-Führung gedrängt wurde, das Lager Plaszow aufzulösen, weil es nach Ansicht der Rüstungsinspektion als Produktionsstätte wertlos war. Göths jüdisches Hausmädchen Helene Hirsch weiß zu erzählen, daß sie in Göths Villa so manchen Gast abfällig über die Verhältnisse in Plaszow sprechen hörte und daß man besonders auch von Seiten der SS-Führung Anstoß an Göths sybaritischer Lebensführung nahm. Es kam dahin, daß General Julius Schindler persönlich eine Besichtigung vornahm, um zu entscheiden, ob das Lager noch als kriegswichtig betrachtet werden könne. Daß er an einem Sonntagabend kam, war allerdings sonderbar, aber vielleicht war er des bedrohlich heranrückenden Winters wegen zu anderer Zeit verhindert. Wie auch immer, der Besichtigung war ein Abendessen bei Schindler vorausgegangen, wo Wein und Cognac reichlich flössen, denn Schindler gehörte zu den mit Dionysos verwandten Göttern. Daß die anschließend nach Plaszow hinausrollende Gesellschaft nicht gerade als nüchterne Expertengruppe bezeichnet werden kann, versteht sich von selber, wenngleich berücksichtigt werden muß, daß die Herren nun bereits seit vier Jahren auf ihrem Sektor tätig waren und deshalb über reichliche Erfahrung verfügten. Auf Schindler machte das indessen wenig Eindruck.
    Man begann mit der Besichtigung von Madritsch, weil dessen Fabrik in Plaszow das einzig Vorzeigbare war. 1943 wurden hier monatlich mehr als 20 000 Uniformen hergestellt, aber trotzdem schien es geboten, Madritsch aufzufordern, die

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