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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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mir ganz bang ums Herz. Was muss er von mir gedacht haben!
    Im
Lazarett war ein Junge frisch eingeliefert worden, der einen Knallfrosch von
der Straße aufgelesen und angezündet hatte, das Ding ist in seinen Händen
explodiert und hat ihm das Gesicht verätzt. Während der Arzt die verbrannte
Haut abzog und den Verband anlegte, fing der Vater des Kindes plötzlich zu
schluchzen an, schniefte und fand sein Taschentuch nicht. Ich reichte ihm eine
Serviette und umarmte diesen fremden Mann, küsste ihn gar auf die Wange und an
die Schläfe, raunte ihm irgendwas Tröstliches ins Ohr.
    Auch das
ein Kuss, eine Umarmung! Warum ging das hier, mit einem fremden Menschen, so
einfach und mit dem geliebten so schwer?
    Dem geliebten...
Wie gut sich dieses Wort anfühlt, mein Gott.
     
    3.
Dezember 1914. Mittwoch
    Herrje,
wie sehr ich ihn liebe!
    Ja, ich
weiß es jetzt: Das ist es, worauf ich die ganze Zeit gewartet habe. Das Wahre.
Ich bin so glücklich!
    Ich denke
pausenlos an ihn. Meinen Shenja! Er ist so besonders. Wird einmal ein
bedeutender Chemiker werden. Heute auf der Eisbahn war ich außer Puste und
musste mich in den Schnee setzen, während er vor mir Pirouetten drehte. Er kann
so vorzüglich Schlittschuh laufen! Und was hasse ich diesen Rowdy aus Temernik
- ein kleines Stück höher nur, und er hätte die Schläfe getroffen!
    Joujou
spricht nicht mehr mit mir. Soll sie. Das ist meine Liebe! Mein Glück und nicht
ihres! Es können nicht alle gleichzeitig glücklich sein.
    Alle meine
Freundinnen haben ihre Liebschaften, nur Mischka ist solo. Aber sie leidet
absolut nicht darunter, tut zumindest so. Hört sich die Gespräche der Mädchen
mit Geringschätzung an, fährt lieber auf Schlittschuhen die vereiste Rodelbahn
hinunter - im Stehen! Nicht mal jeder Junge traut sich das. Ist ja auch heikel.
Man kann sich leicht eine blutige Nase holen!
    Die
Kutscher im Schnee sehen wie Weihnachtsmänner aus.
    Man sagt,
zu Weihnachten wird es noch mehr schneien und stürmen.
     
    6.
Dezember 1914. Samstag
    Zum
Namenstag Glück und Gesundheit allen, die Nikolai heißen, und vor allem dem
einen, von dem Russlands Sieg abhängt!
    Viktor ist
zurück. Es hat ihn nicht lange gehalten. Er hat der Kommission erklärt, er
könne nichts sehen, und sie haben ihn gehen lassen. Der Drill, die rohen Sitten
und der Gestank seien ihm zuwider gewesen, sagte er ganz erbost, und: »Ich bin
da hingegangen, um die Heimat zu verteidigen. Aber alles, was ich gelernt habe,
ist, wie man Generäle grüßt.« Das meinte er ganz ernst, es kam aber so komisch
heraus, dass alle lachten. Viktor schien zuerst eingeschnappt, aber dann führte
er in erschöpfender Ausführlichkeit vor, wie man strammzustehen und bei
Erscheinen eines Generals zu salutieren hat. Dabei schraubte er die Augen so
heraus, dass man sich hätte totlachen können!
    Katja ist
jedenfalls selig. Hielt den ganzen Abend Viktors Hand, so als fürchtete sie, er
könnte wieder weglaufen. Was sie nur an ihm findet? Er ist doch ein Clown!
    Mein
Shenja dagegen, was für ein Unterschied! Er ist so ganz anders. Klug, tiefsinnig,
aufrichtig. Was für interessante Sachen er mir heute wieder erzählt hat über
den Chemiker Lavoisier! Als man ihn auf der Guillotine köpfte, soll Robespierre
gesagt haben: Die Revolution braucht keine Chemiker.
    Was muss
dieser Robespierre für ein Schwachkopf gewesen sein!
     
    11. Dezember 1914. Donnerstag
    Warum,
warum bloß hat mich dieser Sabugski so auf dem Kieker! Weil ich von seiner
Geometrie nichts kapiere? Die begreift doch keiner! Ljalja nicht und Tala auch
nicht. Nicht mal Mischka! Und die sind auch nicht dümmer als ich! Wenn Sabugski
zu schimpfen anfängt, sagt er, wir seien zu doof zum Dividieren und gäben ihm
den Rest. Dabei kann er es einem nur nicht ordentlich erklären!
    Heute hat
Sabugski den großen Zirkel abgebrochen. Um trotzdem einen Kreis an die Tafel zu
zeichnen, hat er den Lappen genommen, das eine Ende gegen die Tafel gedrückt
und ans andere ein Stück Kreide gehalten. Das fanden wir zum Lachen. Da hat er
die Wut gekriegt und beim Anschreiben einer Formel den Punkt mit solcher Wucht gesetzt,
dass die Kreide in Stücke brach. Neues Gelächter. Und wer wurde zur Tafel
gerufen? Ich natürlich. Und er hat mich wieder zum Heulen gebracht. Das kann
er! Wenn er dich aufruft und stumm ansieht mit diesem verächtlichen Blick - du
möchtest im Erdboden versinken!
    Dazu
kommt, dass ihm seitlich an der Nase eine hässliche Warze wächst. Mit
magnetischer

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