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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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paar kurz geschorene Muskelmänner in teuren Anzügen. Zwei junge
Mütter hatten ihre Kinderwagen stehen lassen, um ein paar Zweige vom blühenden
Fliederbusch zu brechen. Der Dolmetsch stand in all dem Duften und Knacken und
zögerte. Dann entschloss er sich hineinzugehen. Das Codeschloss war kaputt. Im
renovierten Treppenhaus der Geruch von frischer Farbe, dem sich die vorigen -
Katze, Pisse, feuchter Putz - schon wieder beimischten.
    Er
klingelte an der Tür. Es öffnete dieselbe Frau, mit der der Junglehrer vor
Jahren gesprochen hatte. Nur dass jetzt ein Handy in ihren Mehlhänden steckte.
Wahrscheinlich war die Wohnung schon verkauft, im Korridor stapelte sich
Umzugsgut. Der ungebetene Gast begann sich zu erklären: Man habe vor Zeiten
miteinander telefoniert, weil er ein Buch über Bella Dmitrijewna habe
schreiben wollen, er sei sogar ein Mal hier gewesen...
    »Was
wollen Sie?«, fiel die Frau ihm ins Wort.
    Er wusste
selbst nicht recht, was er wollte und warum er gekommen war. Von dem alten,
bandagierten Plattenspieler am Starokonjuschenny, Signor Pomodoro, Onkel Witjas
Stimme und dem Geruch von Melonenschale zu reden ging wohl nicht an.
    »Waren Sie
bei ihrem Tod zugegen? Wie ist sie gestorben?«, fiel zu fragen ihm ein.
    Die Frau
lächelte säuerlich.
    »Wollen
Sie die Version für die Presse oder wie es wirklich war?«
    »Wie es
wirklich war, natürlich«, sagte er achselzuckend. »Dann passen Sie auf: Die
selige Bella hat auf ihre alten Tage nicht mehr scheißen gekonnt - was will man
auch verlangen mit hundert Jahren! Und plötzlich mitten in der Nacht höre ich
einen gewaltigen Schlag. Ich zu ihr rein: Da war die Nachttischlampe, die auf
dem Schemel stand, zu Boden geknallt und die Birne geplatzt, Bella Dmitrijewna
war aus dem Bett gefallen und hatte sich - Gott verzeih mir - von oben bis unten
eingeschissen. Und die Seele war in den Himmel entfleucht, Gott hab sie
selig.«
     
    Ein Ferkel
mit lustigem Schwänzchen rennt in der Küche umher. Ich spiele mit ihm, wir sind
Freunde geworden. Es grunzt so ansteckend! Bald grunzen wir im Duett, quietschen
vor ferkeliger Lust. Dann sehe ich es auf dem großen Teller im Esszimmer
wieder, mit immer noch lustig geringeltem Schwanz. Ich heule und möchte am
liebsten aus dem Zimmer rennen. Am schrecklichsten war, das weiß ich noch, als
man mir das abgeschnittene Schwänzchen auf den Teller legen wollte - zur
Beruhigung!
    Das dürfte
die erste Begegnung mit dem Tod in meinem Leben gewesen sein.
    Wie alt
war ich da? Drei? Vier? Nein, nicht ich natürlich, ich altes, vertrotteltes
Ding. Ich spreche von jenem fernen Mädchen.
    Fünftes
Kind, Nachzügler, schon nicht mehr gewollt.
    Ich
entsinne mich, wie Sascha, der Älteste von uns, Scharlach hatte und in
Quarantäne kam. Ich unterhalte mich mit ihm durch die geschlossene Tür. Der
Bruder behauptet, dass die Haut von ihm abgeht, ich will es nicht glauben, und
er schiebt Fetzen davon durchs Schlüsselloch.
    Njusja,
wie ich meine geliebte Schwester Anna nenne, sitzt und büffelt Mathematik,
rechnet, die Nase im Lehrbuch, Beispielaufgaben. Ich lasse mich nicht von ihr
vertreiben, sie nimmt mich auf den Schoß, und ich sitze ganz still, sehe ihre
Feder Zeichen malen, die rätselhaft sind und wunderbar. Njusja erzählt mir was
von Abziehen und Zusammenzählen. Zu Ostern gehen wir auf den Friedhof, und auf
einmal entdecke ich, dass da lauter Pluszeichen über den toten Menschen stehen.
    Mama geht
mit uns Jüngeren, Mascha, Katja und mir, in die französische Konditorei auf dem
Bolschoi-Prospekt. An den auf der Zunge zergehenden Törtchen gefällt mir
besonders der Name: Pitifuhr. Das Sprudelwasser heißt bei uns Krabbelperlen -
wegen der vielen Bläschen und weil es die Zunge kitzelt.
    Kommt es
zu Streit und Rauferei, legt Mama Wert darauf, dass wir uns vor dem
Schlafengehen wieder vertragen - damit das Böse nicht über Nacht bleibt.
    Mamas
Parfüm heißt Muguet de mai.
    Bei Tisch
darf man weder zappeln noch albern, die Hände gehören keinesfalls auf die Knie,
sondern auf den Tisch, und das nicht irgendwie, sondern so, dass beide
Zeigefinger den Tellerrand berühren. Seine Majestät tun es genauso, heißt es.
    Mama sagt,
dass jeder Mensch im Leben ein Mal einen Baum pflanzen und einen Brunnen graben
muss. Jedes Kind hat in unserem Vorgarten sein Streifenbeet, da pflanzen wir
etwas und gießen fleißig. Ich komme jeden Tag und sehe nach, wie meine Erbslein
sich ans Licht kämpfen, wie die grünen Sprösslinge wachsen. Eines

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