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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Haushaltsservo. »Damals hätte ich noch alles riskiert. Ich war sogar zum Sterben bereit, aber ich bin nicht gestorben. Ich war einfach weiter neugierig und schaute mich um. Und ich fand jemand. Ich hatte eine Frau, und zwischen uns beiden gab es keine Heuchelei und keine Lüge. Es war bedingungslos, und wir waren glücklich zusammen.«
    »Das freut mich für dich, Mister Dze.«
    »Und als die Gefahren sich immer dichter um uns schlossen, bin ich ausgebrochen und davongerannt. Und jetzt - fast vierzig Jahre später - bin ich auch weiter nichts als wieder ein Sundog.«
    »Vierzig Jahre, das ist eine humangerechte Lebensspanne, Mister Dze. Zwing dich doch nicht, menschlich zu sein. Es kommt immer die Zeit, wo man das aufgeben muß, loslassen muß.«
    Lindsay schaute auf seine Armprothese und befahl den Fingern, sich langsam zu krümmen und zu strecken. »Aber ich liebe sie noch immer. Es war der Krieg, der uns auseinandergetrieben hat. Wenn es wieder Frieden gäbe ...«
    »Ach, detantistische Entspannungsgefühle. Sentimentalismen. Vollkommen außer Mode.«
    »Du hast also die Hoffnung aufgegeben, Ryumin?«
    »Ich bin zu alt für Leidenschaften«, sagte Ryumin. »Verlang von mir bloß nicht, daß ich mich auf ein Risiko einlasse. Überlaß mich meinen Datenströmen, Mister Dze ... oder wer immer du sonst sein magst. Ich bin, was ich bin. Es gibt kein Zurückdrehen des Rades, keinen Anfang von vorne, um alles noch einmal zu versuchen. Dieses Spiel ist für solche, die noch Fleischbesitzer sind. Die noch heilen können.«
    »Es tut mir leid«, sagte Lindsay. »Aber ich brauche Verbündete. Wissen ist Macht, und ich weiß einiges, was andere nicht wissen. Ich gedenke zu kämpfen. Nicht gegen meine Feinde. Nein. Gegen die Umstände, die Bedingungen, Gegebenheiten. Gegen die Geschichte. Ich will meine Frau zurückhaben, Ryumin. Meine Shaper-Frau. Ich will sie wiederhaben, ohne Bedingungen, frei und sauber und ohne lastende Schatten auf ihr! Wenn du mir nicht helfen willst, wer sonst?«
    Ryumin überlegte zaudernd eine Weile. »Ich habe da einen Freund«, sagte er schließlich. »Er heißt Wells.«
     
    DEMBOWSKA CARTEL: 31-10-'53
     
    Vor dem Eintreffen der Menschheit hatte sich der Asteroidengürtel von selbst gemäß den physikalischen Gesetzen der Trümmer aufgebaut. Für jeden Asteroiden gab es zehn andere, die um zwei Drittel kleiner waren, von Ceres mit tausend Kilometern bis zu den wörtlich Trillionen unerfaßter Kuller, die mit relativer Geschwindigkeit von fünf km/sec Raumzeit-Potentialen gemäß dahinrasten.
    Dembowska war ein Asteroid der Dritten Kategorie und wies einen Durchmesser von zweihundert Kilometern auf. Ähnlich anderen Körpern in einer zirkumsolaren Umlaufbahn, hatte auch er seinen Tribut an die Gesetzmäßigkeiten des Zufalls entrichtet. Zur Zeit der Dinosaurier war etwas Großes gegen Dembowska geprallt. Der Besucher traf ein und war in Sekundenbruchteilen wieder fort. Er hinterließ beim Aufprall geschmolzene Augitbruchstücke, in der Asteroidenkruste eingelagert, als er zu feurigen Tropfen zerbarst. An der Einschlagstelle war die Silikatmatrix von Dembowska zerrissen und hatte einen schrundigen vertikalen Kamin bis zwanzig Kilometer tief zum Eisen-Nickelkern des Asteroiden gebildet.
    Inzwischen war der Kern größtenteils verschwunden, war von ewig hungrigen Fabriken gefressen worden. Das Kartell Dembowskas lebte und hauste in dieser Kaminschlucht, langgestreckte Plazas reichten Stufe um Stufe in die schwindende Schwerkraft hinab, eine graduelle Verschiebung, bis was oben Wände waren zu Fußböden wurden, bis Wände und Böden gänzlich aufhörten und sich zu einer Beinahe-Schwerelosigkeit auflösten. Auf der Sohle der Schlucht erweiterte sich die Welt zu einer gewaltigen künstlichen Höhle, dem hohlen Herzen von Dembowska, wo Generationen von Minendrohnen nach Metall und metallhaltigen Erzen genagt hatten.
    Das Loch war zu groß, als daß man es hätte mit Sauerstoff füllen können. Darum behandelte man es, als wäre es freier Weltraum. Innerhalb der Schwerelosigkeit des Vakuums im Kern des Asteroiden lagen die neuen Schwerindustrien: Kryonikfabriken, in denen aus Andeutungen und Erinnerungen des versengten Hirns von Michael Carnassus Umsetzungen für den beständigen Höhenflug der Aktien des Dembowska-Kartells auf den Börsenmonitoren in hundert anderen Welten geschaffen wurden.
    Produktionsgeheimnisse waren in den Eingeweiden Dembowskas sicher, fein säuberlich verborgen unter

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