Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
unmöglichen Ort.« Ryumin lächelte. »Allerdings, im Dembowska-Kartell müßte es schon sein, denn sonst hätten wir ja ein Übertragungs-Lag.«
    »Ich möchte gern privat und ungestört mit dir reden. Wieviel Typen hören uns zu, was meinst du?«
    »Ach, niemand außer der Polizei«, sagte Ryumin beruhigend. »Du befindest dich in einem Safehouse des Harems; da laufen die Kontakte direkt durch die Datenbanken des CHEFS. Und für Dembowska ist das bereits der Gipfel an privater Abgeschirmtheit, den man kriegen kann. Besonders wenn einer eine dermaßen undurchsichtige Vergangenheit aufzuweisen hat wie du, Mister Dze.«
    Lindsay trocknete sich mit einem kopftuchgroßen Taschentuch die triefende Nase. Die ungewohnten Bakterien hatten seinen Stirnhöhlen schwer zugesetzt; und diese waren bereits durch die ozongeschwängerte Luft im Investor-Schiff angegriffen. »Ja, im Zaibatsu, da war das anders. Als wir noch unter vier Augen reden konnten.«
    »Verdrahtung bringt Veränderung«, sagte Ryumin. »Das Ganze wird eine Sache von Input, verstehst du. Systeme. Daten. Wir haben eine Neigung zum Solipsismus; liegt am Land. Bitte, sei mir nicht gram, wenn ich deine Echtheit bezweifle.«
    »Wie lang bist du schon hier auf Dembowska?«
    »Seitdem der Frieden brüchig zu werden begann. Ich brauchte einen sicheren Hafen. Und das hier - war das Beste, was ich zur Auswahl hatte.«
    »So sind also deine Irrfahrten vorbei, mein Alter?«
    »Ja und nein, Mister Dze. Mit dem Verlust der Mobilität stellt sich eine Erweiterung der Sinne ein. Wenn mir danach zumute ist, kann ich auf eine Sonde im Merkur-Orbit hinausschalten. Oder mir die Jupiterstürme anschauen. Im übrigen mache ich das recht oft. Urplötzlich befinde ich mich dort, und zwar so gänzlich umfassend, wie ich in dieser Zeit jemals irgendwo sein könnte. Das Denken ist nicht ganz so, wie du dir das vorstellst, Mister Dze. Wenn du es mit Drähten einfängst, entwickelt es die Tendenz davonzuströmen. Daten scheinen aus einer tieferen Bewußtseinsschicht heraufzuquellen. Das ist zwar nicht das exakte Ideal von ›Leben‹, aber es hat seine gewissen Vorzüge.«
    »Du hast also Kabuki Intrasolar aufgegeben?«
    »Jetzt wo der Krieg wieder in eine heiße Phase gerät, sind für das Theater die Blütezeiten für eine Weile vorbei. Ich beschäftige mich vorwiegend mit dem Mediennetz.«
    »Journalismus?«
    »Ja. Wir Drahtköppe - oder präziser, wir Altgedienten Mechanos, wir Senioren, um uns einen Namen zu geben, der nicht von shaperischer Propaganda besudelt ist -, wir haben unsere eigenen Datenverarbeitungsmethoden. Nachrichtennetze. In der höchstintensiven Form nähert sich das der Telepathie. Ich bin hier am Ort der Stringer, der Freie Korrespondent, für Ceres Datacom Network. Ich genieße dort nationale Grundrechte, obschon es in gesetzlicher Hinsicht manchmal angenehmer ist, wenn sie dich als völlig im Firmenbesitz befindliche abschreibungsfähige Hardware führen. Unser Leben ist Information - sogar Geld ist nichts weiter als Information. Für uns sind unser Geld und unser Leben ein und dasselbe.«
    Die synthetisierte Stimme des Mechanos klang ruhig und objektiv, doch Lindsay spürte eine immer stärkere Beunruhigung in sich aufsteigen. »Bist du in Gefahr, Alter? Etwas, wobei ich helfen könnte?«
    »Ach, mein Junge«, sagte Ryumin, »hinter diesem Bildschirm da liegt eine ganze Welt. Alles ist dermaßen aus der Linie geraten und verschwommen, daß die puren Fragen nach Leben oder Tod auf die hinteren Sitze verdrängt sind. Unter uns gibt es die Leute, deren Denk- und Hirnfunktionen schon vor Jahren zusammengebrochen sind: Sie stolpern und hangeln sich mit Investitionen und Routineprogrammen weiter. Wenn die Fleischbrocken das wüßten, sie würden diese Leute für gesetzlich tot erklären. Aber wir , wir reden nicht darüber.« Ryumin lächelte. »Mister Dze, denk doch ganz einfach, daß wir Engel sind. Geistwesen auf Draht, manchmal fällt es dann leichter.«
    »Ich bin hier fremd. Ich hatte damit gerechnet, daß du mir vielleicht helfen kannst, wie schon einmal. Ich brauche deinen Rat. Ich brauche deine Weisheit.«
    Ryumin seufzte klar akzentuiert. »Ich hab da einmal einen Dze gekannt, als er und ich so kleine Witzbolde waren. Dem habe ich vertraut, weil ich seine kühne Frechheit bewunderte. Wir waren damals beide Männer! Aber das ist nicht mehr so.«
    Lindsay prustete in das Taschentuch und reichte es mit einem angewiderten tiefen Ekelschauder naß dem

Weitere Kostenlose Bücher