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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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bewußt, daß er mit seinem Ausbruch gegen alle Diplomatenvorschriften verstoßen hatte. Die Erkenntnis erfüllte ihn mit wütender Befriedigung. »Du kennst die Wahrheit, Wells. Wir sind seit Jahren schon die kleinen Bauern im Spiel der Investoren gewesen. Es ist an der Zeit, daß wir das Schachbrett mal rumdrehen und die Farben wechseln.«
    »Du meinst, du willst die Investoren angehen?« sagte Wells ungläubig.
    »Was sonst, du Narr! Welche andere Wahl haben wir denn sonst noch?«
    Aus dem Fuß der Lampe ertönte eine Frauenstimme. »Abélard Mavrides, du stehst unter Arrest.«
    Zischend schlossen sich die Fahrstuhltüren hinter ihnen. Bei der Beschleunigung aufwärts traf sie die Pseudoschwerkraft. »Leg bitte die Hände gegen die Wand«, sagte Greta höflich. »Und jetzt mit den Füßen einen Schritt zurück.«
    Lindsay tat ihr stumm den Gefallen. Der altmodische Aufzug klickte laut die Zahnschienen der Vertikalwand in der Dembowska-Schlucht hinauf. Zwei Kilometer. Greta seufzte. »Du mußt etwas arg Schlimmes gemacht haben.«
    »Da mach du dir mal keine Sorgen«, sagte Lindsay.
    »Wenn ich mich an die Vorschriften hielte, müßte ich an deinem Eisenarm die Kabelstränge durchschneiden. Aber ich werde darauf verzichten. Das Ganze ist auch meine Schuld, glaube ich. Wenn es mir gelungen wäre, es dir ein wenig gemütlicher zu machen, dann hättest du nicht dermaßen fanatisch gehandelt.«
    »Ich trage keine Waffen in meinem Arm«, sagte Lindsay. »Du hast ihn doch bestimmt untersucht, während ich schlief.«
    »Ich begreife deine Schärfe nicht, deinen Argwohn, Bela. Habe ich dich in irgendeiner Weise schlecht behandelt?«
    »Erzähl mir was über Zen-Serotonin, Greta!«
    Sie streckte sich unmerklich. »Ich schäme mich nicht im geringsten, daß ich dem Nonmovement angehöre. Ich hätte es dir schon gesagt, aber wir werben nicht um Proselyten. Wir gewinnen neue Mitglieder durch unser Beispiel.«
    »Zweifellos äußerst lobenswert, da bin ich sicher.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ich hätte aber in deinem Fall eine Ausnahme machen sollen. Dein Schmerz berührt mich. Auch ich habe einmal Schmerz gekannt.« Lindsay sagte nichts dazu. »Ich bin auf Themis geboren«, fuhr sie fort. »Ich kannte dort ein paar Kataklysmatiker, aus einer der Mechano-Splittergruppen. Das waren Eiskiller. Das Militär entdeckte eine ihrer Kryozellen, wo sie einen meiner Lehrer erleuchteten - vermittels eines Einwegtickets in die Zukunft. Ich wartete nicht, bis sie mich verhafteten. Ich flüchtete nach Dembowska ... Als ich hier ankam, wurde ich vom Harem rekrutiert. Und ich fand heraus, daß ich für Carnassus die Hure spielen mußte. Das lag mir nicht. Aber dann stieß ich auf ZenSerotonin.«
    »Aber - Serotonin, das ist doch hirnchemikalisch«, sagte Lindsay.
    »Es ist eine Weisheitserkenntnis«, sagte sie. »Shaperismus, Mechanismus - das sind keine Philosophien, das sind für politische Zwecke mißbrauchte Techniken. Ihrem innersten Wesen nach sind sie nur Technologien. Die technische Wissenschaft hat die Menschheit zerfleischt und zerstört. Wenn irgendwo Anarchie, gesetzlose Zustände, sich ausbreiteten, bemühten sich die Menschen verzweifelt um Gemeinschaft, Gemeinsamkeit. Die Politiker suchten sich stets bequeme Feinde aus, damit sie ihre Anhänger durch Haß und Terror an sich binden konnten. Aber Gemeinschaft und Gemeinsamkeit genügen nicht, wenn aus jedem Schaltkreis und aus jedem Reagenzglas tausend neue verlockende Lebensmöglichkeiten winken. Einen Ring Council würde es nicht geben können - ohne den Haß - und ebensowenig eine Union of Cartels. Es gibt keine Konformität ohne die Machtpeitscher.«
    »Das Leben bewegt sich kladisch voran«, murmelte Lindsay.
    »Ach, das ist dieser Wells mit seinem Mischmasch aus Naturwissenschaft und Ethik. Nein, was wir brauchen, das ist Non-Movement , Bewegungslosigkeit, Stille, Klarheit.« Sie streckte den linken Arm aus. »Der Monitor versorgt tropfenweise meinen Arm. Ich kenne keine Furcht, sie bedeutet mir nichts. Damit gibt es einfach überhaupt nichts, dem ich mich nicht stellen, das ich nicht analysieren könnte. Durch Zen-Serotonin erblickst du das Leben im Licht der puren Vernunft. Und die Menschen kommen zu uns, besonders wenn sie in einer Krise stecken. Von Tag zu Tag findet unser Non-movement mehr Anhänger.«
    Lindsay erinnerte sich an die Hirnstromwellen, die er im Bett in diesem Agentenunterschlupf gesehen hatte. »Du befindest dich also in permanentem

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