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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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er mühte sich, die Hände hochzuheben, aber alle Nervenimpulse blockierten in diesem in Zeitraffer ablaufenden Anfall, der ihm so lang wie ein ganzer Monat vorkam. Als er wieder zu sich kam, merkte er, daß er die Wange gegen das kalte Metall preßte und daß Mavrides noch immer vor sich hinbrabbelte. »... die ganze Geschichte von Nora. Während du hier Künstler wegen Landesverrats vor Gericht gezerrt hast, landete Lindsay den größten Coup der Geschichte. Ein InvestorÜberläufer ... Er hat einen Abtrünnigen von den Investoren in der Hand. Eine Queen aus einem Investor-Sternenschiff. Ganz einfach so - in seiner Hand.«
    Constantine räusperte sich. »Diese Nachricht habe ich auch gehört. Reine Mech-Propaganda. Ein Schwindel.«
    Mavrides lachte hysterisch. »Daß'de dich da nicht brennst! Du bist nichts weiter als eine winzige beschissene Fußnote der Entwicklung. Lindsay stand an der Spitze der Revolution in deinem Volk, während du noch damit beschäftigt warst, in Keimen und Dreck Wanzen zu zerquetschen und einen Plan auszubrüten, wie du dir seine Verdienste unter den Nagel reißen könntest. Du bist eine mikroskopische Unbedeutendheit. Ich hätte mir wirklich nie die Mühe machen dürfen, dich umbringen zu wollen, aber ... na ja, ich hatte eben nie Glück.«
    »Lindsay ist tot. Seit sechzig Jahren.«
    »Aber klar doch, Plebi! Genau dies wollte er ja, daß du das glaubst.« Das direkt aus den Neuroimpulsen abgeleitete Gelächter klang metallisch in den Lautsprechern. »Ich habe schließlich in seinem Haus gelebt, du Trottel. Und er hat mich geliebt.«
    Constantine öffnete die Tankschleuse. Er drehte den Zündtimer an dem Glasröhrchen und ließ es in das Wasser fallen. Dann warf er heftig die Tanktür zu. Er machte kehrt und ging. Als er die Tür erreichte, hörte er ein verzweifeltes Platschen im Tank, als das Gift zu wirken begann.
     
    CZARINA-KLUSTER PEOPLE'S CORPORATE REPUBLIC: 3-1-'84
     
    Die lange leuchtende Schweißnaht war die sauberste Arbeit, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Lindsay schwebte in einer Beobachtungsblase und schaute den Baurobotern zu, die im Vakuum herumkrochen. Die Mechanistenmaschinen besaßen die langen scharfen Spitznasen von Rüsselkäfern, und ihre weißglühenden Schweißspitzen schleuderten lange Schatten über die geschwärzte Hülle des Czarina-Palastes.
    Sie bauten da ein lebensgroßes Abbild eines Investor-Sternenschiffes, eines Schiffs ohne Triebwerke, einen Holk, der nie aus eigener Kraft würde fliegen können. Außerdem schwarz, ohne einen Anflug der grellbunten Arabesken und Intarsien, wie sie ein echtes Investorschiff auszeichnen. Die übrigen Investoren hatten darauf bestanden und ihre perverse abtrünnige Queen in dieses düstere, sie verhöhnende Gefängnis verbannt.
    Nach jahrelangen Recherchen hatte Lindsay Stück um Stück die Wahrheit über die Verfehlung der Kommandantin zusammensetzen können.
    Die Königinnen versenkten ihre Eier in die uterusähnlichen Leibhöhlen ihrer Männchen. Die Männchen befruchteten die Eier und trugen sie innerhalb der Beutel bis zur Geburtsreife aus. Die geschlechtslosen Fähnriche kontrollierten vermittels eines komplizierten hormonalen Pseudo-Kopulationsverfahrens die Ovulation.
    Und diese verbrecherische Königin hatte ihren Fähnrich in einem Anfall wahnwitziger Leidenschaft getötet und ein ganz ordinäres Männchen an seine Stelle gezogen. Aber ohne einen richtigen Flaggenoffizier war ihr Geschlechtszyklus durcheinandergeraten. Lindsays Dokumentation belegte, daß sie eines ihrer mißgebildeten Eier zerstört hatte. Für einen Investor war so etwas schlimmer als bloße Perversion, schlimmer sogar als Mord: es war schlecht fürs Geschäft.
    Lindsay hatte sein Beweismaterial in einer Art und Weise vorgebracht, die das Moralgefüge der Investoren mitten in den Kern traf. Gefühle der peinlichen Verlegenheit gehörten an sich nicht zur Psychostruktur der Investoren. Sie waren wie betäubt. Doch Lindsay hatte auch ein rasches Heilmittel zur Hand: die Exilierung. Dahinter verbarg sich die unausgesprochene Drohung, sonst werde er die Unterlagen verbreiten und die peinliche Angelegenheit in allen Einzelheiten - den »Skandal« - jedem Investor-Schiff und jeder Humangruppe zuspielen müssen.
    Es war schon übel genug, daß eine ausgewählte Schar von reichen Königinnen und Flaggoffizieren von diesem schockierenden Begebnis in Kenntnis gesetzt worden war. Daß auch noch die leicht erregbaren und beeindruckbaren Männchen

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