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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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einmal einen deiner Studenten. Captain-Doktor Simon Afriel. Ein perfekter Gentleman.«
    »Ich erinnere mich gut an Simon.«
    »Er starb während einer Gesandtschaft.« Der Investor blickte starr aus dunklen, feindselig blitzenden Augen hinter den weißen Rändern seiner Nickhäute. »Ein Jammer. Ich habe die Unterhaltung mit ihm stets genossen. Dennoch, er war von jenem Drang bestimmt, sich einzumischen, einer Sucht, die Dinge zu manipulieren. Ihr bezeichnet das als Neugier. Ein Drang, nutzlose Daten zu bemessen und zu bewerten. Ein Geschöpf mit einem derartigen Handikap geht eine Vielzahl recht unnötiger Risiken ein.«
    »Ohne Zweifel«, stimmte Lindsay zu. Er hatte noch nichts von Afriels Tod gewußt. Die Nachricht erfüllte ihn mit einer bitteren Freude: wieder ein Fanatiker dahin, wieder das Leben eines Hochbegabten vergeudet...
    »Haß ist ein leichter auslotbares Motiv. Wie merkwürdig, daß du dich von ihm überwältigen läßt, Künstler. Es läßt mich an meiner Einschätzung eurer Spezies zweifeln.«
    »Ich bedaure, Anlaß zu Unklarheiten zu sein. Seine Exzellenz Kanzler-General Constantine könnte es gewiß besser erklären.«
    »Ich werde mit ihm sprechen. Er ist mit seinem Gefolge soeben an Bord gekommen. Allerdings ist er nicht gerade ideal geeignet, ein Urteil über die Natur des Menschen abzugeben. Unsere Scannings haben deutlich gezeigt, daß er zu einschneidenden Veränderungen neigt.«
    Das tun viele in diesen Tagen, dachte Lindsay. Sogar die ganz Jungen. Als befreite die Existenz der Neotensichen Republik mit ihrer Zwangshumanität die übrigen Gruppierungen von beengenden, erstickenden Masken des Scheins. »Du empfindest dies bei einer Rasse seltsam, die sich in den Raum aufmacht?«
    »Nein. Ganz und gar nicht. Es ist der Grund, warum nur noch so wenige davon übrig sind.«
    »Neunzehn«, sagte Lindsay.
    »Ja. Die Zahl der verschwundenen Rassen innerhalb unseres Handelsimperiums ist um eine ganze Größenordnung höher. Ihre Artefakte haben sich allerdings erhalten, so auch jenes eine Werk, das wir dir in Kürze zu leasen gedenken.« Der Investor zeigte seine gefurchten Pflockzähne - ein Anzeichen von Widerwillen und Zögern. »Wir hatten auf einen wahrhaft langfristigen Handelsaustausch mit eurer Gattung gesetzt, aber wir können euch nicht davon zurückhalten, nach Durchbrüchen in metaphysischen Fragen zu streben. Bald werden wir euer Sonnensystem unter Quarantäne stellen müssen, wenn wir nicht riskieren wollen, in eure Transmutationen verwickelt zu werden. Bis dahin allerdings sind wir gezwungen, einige unserer Bedenken fallen zu lassen, wenn wir unsere örtlichen Investitionen einigermaßen rentabel gestalten wollen.«
    »Du bestürzt mich«, sagte Lindsay. Er hatte derlei früher schon gehört: undeutliche Warnungen seitens der Investoren, die darauf abzielten, die Menschheit auf ihrem jetzigen Entwicklungsstand stagnieren zu lassen. Es amüsierte ihn sehr, daß ausgerechnet die Investoren sich zu Predigern des Konservationismus aufschwangen. »Aber der KRIEG ist doch gewiß eine weit schlimmere Bedrohung.«
    »Nein«, sagte der Investor. »Wir höchstpersönlich haben euch die Beweise vorgelegt. Unser Interstellar-Drive zeigte euch, daß RaumZeit nicht das ist, wofür ihr sie gehalten hattet. Dessen müßtest du dir doch bewußt sein, Künstler. Bedenke nur die jüngeren Durchbrüche in der mathematischen Behandlung dessen, was ihr HilbertRaum und den Ur-Raum des Prae-Kontinuums nennt. Das kann doch deiner Aufmerksamkeit nicht entgangen sein.«
    »Mathematik ist nicht meine Stärke«, sagte Lindsay.
    »Die unsrige ebensowenig. Wir wissen nur, daß diese Entdeckungen warnende Gefahrensignale des drohenden kurz bevorstehenden Übergangs in einen anderen Seinszustand darstellen.«
    »Drohend?«
    »Ja. Ein paar kleine Jahrhunderte.«
    Jahrhunderte, dachte Lindsay. Man vergißt so leicht, wie alt diese Investoren waren. Ihr profundes Desinteresse an Veränderung bewirkte, daß ihr Gesichtskreis zwar weit, aber sehr seicht war. Sie interessierten sich kaum für ihre eigene Geschichte, verspürten nicht den Drang, ihr persönliches Leben in Kontrast zu setzen zu dem ihrer toten Vorfahren, denn niemand nahm an, daß ihr Leben oder ihre Motive sich im geringsten voneinander unterschieden. Es gab verschwommene Legenden und wirre technische Aufzeichnungen über besonders hohe Preise erzielende Beutestücke, doch selbst diese Geschichtsfragmente verloren sich in dem Durcheinander elsternhaft

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