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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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davon erfahren sollten, das war unvorstellbar. Man gelangte zu einem Agreement.
    Die Investor-Queen erfuhr nie, was ihr Geheimnis preisgegeben hatte. Die Unterbreitung des Ansinnens war mit noch größerem subtilen Takt erfolgt und hatte Lindsays diplomatische Talente aufs äußerste beansprucht. Ein zeitlich richtig plaziertes Geschenk von Juwelen hatte das seine beigetragen und sie dank jener überwältigenden Habgier, die der Lebensnerv aller Investoren ist, von der Sache abgelenkt. Die Geschäfte auf ihrem Schiff waren schleppend verlaufen - eine Folge der abgeschlafften Mannschaft und des erbärmlichen eunuchischen Flaggoffiziers.
    Lindsay war mit Daten- und Kartenmaterial (von Wells zur Verfügung gestellt) aufgetreten, mit Statistiken, die den Reichtum prognostizierten, der sich aus einem von Parteiungen ungestörten Stadtstaat pressen lassen werde. Die Exponentialkurven schossen in atemberaubende Höhen einer glatten Gewinnernte empor. Lindsay versicherte der Queen, er wisse nichts von ihrer Entehrung, habe auch nichts damit zu schaffen; er wisse jedoch, daß ihre eigene Gattung eifrig auf ihre Verdammnis hinarbeite. Im Besitz eines ausreichenden Geheimschatzes, ließ er durchblicken, werde sich die Königin möglicherweise wieder in die Gunst und Gnade bei den anderen zurückkaufen können.
    Geduldig, geschmeidig und schlüpfrig verhalf er ihr zu der Einsicht, daß hier ihre beste, ihre einzige Chance liege. Was würde sie schon allein, ohne ihre Mannschaft, ohne ihren Flaggoffizier vom Dienst bewerkstelligen können? Warum sollte sie denn nicht den beflissenen Diensteifer der höflichen kleinen Fremdlinge akzeptieren und für sich nutzen? Der Sozialtrieb der winzigen geselligen Säugetiere bewirke doch - wahrlich und ganz im Ernst -, daß sie sie für ihre Queen und sich selbst für ihre Untertanen halten müßten. Schon jetzt, in diesem Augenblick, warte ein Stab von Hofräten nur darauf, ihr jeglichen Wunsch und jede Laune zu erfüllen. Und sie sprächen allesamt fließend investorisch und gierten nach der Gnade, sie mit Reichtümern überhäufen zu dürfen.
    Ihre Habgier hätte sie wahrscheinlich nicht ganz so weit getrieben. Es war schiere Furcht, was sie schließlich seinen Wünschen nachgeben ließ: Furcht vor diesem kleinen glatthäutigen Fremdling mit dem dunklen Plastikdeckel über seinen Glubberaugen, der auf jedes und alles eine Antwort parat hatte. Er schien ihr Volk genauer zu kennen als sie selber.
    Die offizielle Verlautbarung war eine Woche später erfolgt und Hand in Hand damit war ein plötzlicher haemorrhagischer Kapitalabfluß in das neugegründete Königinnen-Exil-Domizil einhergegangen. Sie nannten die Queen »Czarina«, ein Kosename, den Ryumin beigesteuert hatte. Ihre Stadt und Residenz war der Czarina Kluster, das »Zarinnen-Konglomerat«: nach knapp vier Monaten bereits zu einem hektischen Entwicklungsboom erblüht, eine Goldgräberstadt, die sich aus dem Nichts an der Innenkante des Gürtels ansetzte und wucherte. Die »Czarina-Kluster People's Corporate Republic« war aus dem Rohpotential zu plötzlicher konkreter Existenz emporgestiegen, mit einem - wie Wells es nannte - »Prigogine-Sprung«, einem »Hinaufschmelzenden Übergang auf ein höheres Komplexitätsniveau«. Inzwischen ersoff der Kronrat der »Zarin« in geschäftlichen Abwicklungen, die Kommunikationssysteme brachen beinahe zusammen durch die wilden Anforderungen und Fragen von der Seite möglicher Überläufer, die einen Asylantenstatus herauszuschinden versuchten und möglicherweise ein neues Leben beginnen wollten. Und die persönliche Anwesenheit einer Investorin verbreitete einen immensen Schlagschatten und errichtete einen Schutzwall von Prestige, gegen den kein Mechanist oder Shaper anzupinkeln wagte.
    Behelfsmäßige Nissensiedlungen von Zuwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung quetschten sich erstickend um den Rohbau des Palastes der Königin: ganze Geflechte von hartnäckigen shaperischen Suburbialblasen, sogenannte »Subbles« wuchsen hervor; schmuddelige Piratenschiffe kopulierten und bildeten harmonika-blasebalgartige Bumsketten-Angriffstunnels; grob gegoßne Waben aus mechanistischem Nickeleisen, die man herangeschleppt hatte; Bauhütten, die wie Napfschnecken am
    Gerüstskelett des Urban-Bauprojekts klebten, das kaum vom Reißbrett gelöst war. Diese City sollte eine Metropole werden, ein zirkumsolarer Freihafen, die allerneueste Freizone für Sundogs. Und er, Lindsay, hatte dies ermöglicht. Nur - es

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