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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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krausen Papierschiffchen hervor. »Magst du Schokolade?«
    Lindsays Mundhöhle füllte sich mit Speichel. »Bitte, ja«, sagte er reflexartig. Sie schnippte ihm die Praline in den Mund. Es schmeckte ekelhaft süß, und er kaute widerwillig daran herum.
    »Zischt ab!« befahl Dr. Juliano den zwei MedTechs. »Ich kümmere mich allein darum.« Die zwei Superhellen verschwanden grinsend.
    Lindsay schluckte.
    »Noch eins?« fragte sie.
    »Hab mir nie viel aus Bomben - nie viel aus Bonbons gemacht«, sagte Lindsay.
    »Ein gutes Zeichen«, sagte sie und schloß den Kasten. Dann betrachtete sie sich den Scannerschirm und zupfte sich aus einem Bündel blonder loser Locken über dem Ohr einen Lichtschreiber. »Solche Schoko- BOMBEN waren in den verflossenen fünf Jahren dein Lebensinhalt.«
    Der Schock traf hart, aber er hatte gewußt, daß er kommen werde. Sein Hals war wie ausgetrocknet. »Fünf Jahre?«
    »Du kannst von Glück sagen, daß da noch überhaupt was von dir übrig ist«, sagte sie. »Es war eine langwierige Behandlung: die Restaurierung eines Gehirns, das durch schweren Mißbrauch von PDKL-95 verändert wurde. Mit Komplikationen durch Veränderungen in deinem spatialen Wahrnehmungsvermögen, die durch den Arena-Artefakt hervorgerufen wurden. Das war wirklich eine echte Herausforderung. Und ziemlich kostspielig obendrein.« Sie begutachtete weiter den Bildschirm und knabberte dabei an ihrem Lichtschreiber. »Aber das geht alles schon in Ordnung. Dein Freund Wellspring hat sich bereit erklärt, für die Kosten aufzukommen.«
    Die Frau hatte sich so stark verändert, daß es ihn völlig verwirrte. Es fiel ihm schwer, die Margaret Juliano aus Goldreich-Tremaine, ehemalige disziplinierte Pazifistin der Mitternachts-Clique, und diese gelassene, sorglose Frau mit den grasfleckigen Knien und dem un-gebändigten unsauberen Haarschopf in Übereinstimmung zu bringen.
    »Am besten gibst du dir zunächst mal keine Mühe, gleich zuviel zu sprechen«, sagte sie. »Für die Sprachfunktionen ist deine rechte Hirnhälfte zuständig, durch die Kommissura. Wir können mit Neologismen rechnen, mit Logasthenie, Logaporien, mit einem persönlichen Idiolekt ... aber gerate bloß nicht in Panik!« Sie kreiste etwas auf dem Bildschirm ein und drückte eine Kontrollschaltung: in grellen blauen und orangefarbenen Trickfarben rutschte ein Hirnquerschnitt Lindsays auf den Schirm.
    »Wie viele Personen in diesem Zimmer?« fragte sie.
    »Du und ich«, sagte Lindsay.
    »Nicht irgendwie das Gefühl, da ist jemand hinter dir? Oder links von dir?«
    Lindsay krümmte sich, um nachzuschauen, und kratzte sich dabei schmerzhaft die Stirn an einem Innenkontakt des Scanners. »Keiner.«
    »Fein. Also war das Kommissurenverfahren schon genau richtig. Manchmal haben wir nämlich bei Fällen von Hirnspaltung eine Fragmentation des Bewußtseins, so ein Phantom-Image, das über das apperzipierte Ich herüberschielt. Laß es mich wissen, falls du irgendwas derartiges spürst.«
    »Nein. Aber - draußen - da fühlte ich ...« Er wollte ihr von diesem Augenblick erzählen, als das Erwachen plötzlich über ihn hereingebrochen war, von seiner langen Epiphanie, der bestürzenden Einsicht in die Göttlichkeit des Selbst und des Lebens ... Seine Vision brannte noch in ihm, aber die Worte, um sie auszudrücken, waren ihm völlig ferngerückt. Auf einmal wußte er, daß er niemals einem anderen Menschen die ganze Wahrheit darüber würde sagen können. Es war nicht etwas, das sich in der Vermummung von Worten einfangen ließ.
    »Streng dich nicht so an«, sagte sie. »Laß dir doch Zeit; laß es von selbst kommen, leicht. Du hast viel Zeit.«
    »Mein Arm«, sagte Lindsay plötzlich. Verwirrt stellte er auf einmal fest, daß sich sein rechter Arm, die Metall prothese, zu Fleisch verwandelt hatte. Er hob den linken Arm. Er war ein Metallkonstrukt. Entsetzen drückte ihn nieder. Er war umgestülpt worden, er war seitenverkehrt!
    »Mal langsam! Vorsicht!« sagte sie. »Du könntest da ein paar Probleme mit deiner räumlichen Wahrnehmung haben. Links-rechts-Verschiebungen. Ein Artefakt der Commissuraldominanz. Außerdem hattest du eine nochmalige Verjüngung. Wir haben während der letzten fünf Jahre eine ganze Menge mit dir angestellt. Nur so, um die Zeit zu nutzen.«
    Die sorglose Leichtigkeit, mit der sie ihm dies sagte, verwirrte ihn. »Bist du Gott?« fragte er.
    Sie zuckte die Achseln. »Es hat einige Durchbrüche gegeben, Abélard. Vieles hat sich verändert. In

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