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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Entsetzen. Er zuckte in konvulsivisch tödlicher Verwundung, sein Gesicht brach in gespenstisch-alptraumhaften rasierklingenscharfen Mandibula auf, und er erwischte ein Bein und scherte es am Gelenk ab; er roch heißen Hunger und Schmerz und die strahlenheiße Helle seiner eigenen hervorbrechenden Säfte, und dann dieses Kalte, das Versickern, der helle Funke, der verglomm und eins wurde mit dem alten Stein und dem Alter und dem Dunkel...
    Die Außenmikros seines Helmes fingen Constantines Stimme auf und speisten sie durch seine Nervenleitbahnen. »Abélard.«
    Lindsays Kehle war voller Rost. »Ich höre dich.«
    »Du lebst noch?«
    Die Neuroblockade in seinem Genick löste sich zur Hälfte, und er fühlte seinen eigenen Körper, aber so wenig feststofflich wie ein warmes Gas. Er tastete nach dem Band mit den Dermadisks an seiner Hand: Das perforierte Plastik fühlte sich dünn an wie ein Band. Er puhlte mit den Fingern eine weitere Scheibe los und preßte sie grob gegen den Daumenballen. »Wir müssen es noch einmal versuchen.«
    »Was hast du gesehen, Abélard? Ich muß es wissen.«
    »Hallen. Mauern. Dunkle Steine.«
    »Und Schluchten? Schwarze Abgründe aus Nichts, gewaltiger als Gott?«
    »Ich kann nicht weiterreden.« Die zweite Dosis traf ihn, die Sprache fiel in sich zusammen, war ein Gewirr zusammenhangloser, bezugloser Mutmaßungen, zerschmettert von plötzlichem Zweifel, Stapel von Grammatik, die unter dem Aufprall der Droge sich zu Brei auflösten. »Noch mal!«
    Er war zurück. Er konnte den Feind nun fühlen, seine Nähe wie ein schwaches fernes Kitzeln spüren. Das Licht war jetzt klarer, gigantische strahlende Ströme, die durch Gesteinsmassen sickerten, die so altersverrottet waren, daß sie wie schütterer Stoff wirkten.
    Mäkelhaft fuhr er sich mit den Klauen über die um seinen Mund sitzenden Polypen und reinigte sie von feuchtem Schleim. Er spürte ein derart überwältigendes Hungergefühl, daß die Schalen ins Gleichgewicht gerieten und ihm klar wurde, daß der Drang zu leben und zu töten ebenso gewaltig war wie die Gewölbe um ihn herum.
    Er fühlte den Feind in einem Cul-de-sac, einer Sackgasse, zwischen einer schrundigen verrottenden Brücke und deren Strebpfeilern kauern. Er konnte seine Furcht riechen.
    Die Position des Feindes war falsch. Der Feind klammerte sich in falscher Perspektive an die Wand und nahm so den endlosen Horizont als bestürzenden Abgrund wahr. Die Schlucht unten war unendlich, ein Chaos von Wänden, Kammern, Landeplätzen, Galerien, sich selbst unentwegt fortsetzend, aus nichts gebaut, eine Entsetzen einflößende Verästelung der Unendlichkeit und Grenzenlosigkeit.
    Er griff an, biß sich tief in die Rückenplatten, der Geschmack des heißen Sickersafts stachelte ihn zu wilder Wut an. Der Feind bog sich peitschend zurück, er grub, bohrte, stieß die bleichen Klauen scharrend gegen den Fels. Seine Mandibeln brachen vom Rücken des Feindes los. Der Feind kämpfte und wand sich, um ihn fortzustoßen, um ihn rücklings in den Horizont zu schieben. Augenblickslang hatte ihn die Feindperspektive überwältigt. Plötzlich wußte er, sollte er jetzt fallen, so würde er bis in alle Ewigkeit weiterstürzen. In den Abgrund taumeln, in sein eigenes panisches Entsetzen und die Niederlage, unendlich, durch das um sich selbst wirbelnde Labyrinth, das Bewußtsein erstarrt in schrankenlosen Ängsten, einem Dickicht nie aufhörender Erfahrung, niemals endender Furcht, unerbittliche Wände, Hallen, Stufen, Rampen, Verliese, Krypten, Gewölbe, Passagen, ewig vereist, ewig unerreichbar, ungreifbar.
    Er rutschte zurück. Der Feind war jetzt verzweifelt; von Schmerzen gepeitscht, vollzog er konvulsivische Schabe- und Kratzbewegungen. Aber seine Krampen begannen abzugleiten. Der Stein stieß ihn zurück, er wurde glitschiger. Plötzlich geschah der Durchbruch, und er sah die Welt so, wie sie war. Seine Klauen glitten dann mit gespenstischer Leichtigkeit hinein, und der Stein wich wie Rauch beiseite.
    Dann hatte er sich verankert. Der Feind stieß hilflos gegen ihn zurück, es nutzte ihm nichts. Er schmeckte den plötzlichen Ejakulationsstoß der Verzweiflung, und der Feind wandte sich zur Flucht.
    Er holte ihn sofort wieder ein, packte ihn und zerfetzte ihn. Ein Giftschwall von Staub und Entsetzen entströmte heftig dem Fleisch des Feindes. Er zerrte ihn ganz von der Wand fort, hielt ihn in einem von Haß und Triumph gemischten Orgasmus hoch - und schleuderte ihn in den

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