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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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das weggenommen. Mit eurer Scheißpech ...« er schloß die Augen und rang nach dem Begriff - »euer Scheißtechnologie.«
    Die Frau zupfte sich ein weiteres Praline aus dem Kasten. »Na und?« mahlte sie kauend. »Schließlich hat die Technologie dir das Zeug ja erst einmal ins Hirn gestopft. Jetzt hast du dich und dein Selbst wieder. Was willst du denn noch?«
    Alexandrina Tyler kam mit dem Rauschen schweren Stoffs durch die offene Tür. Sie trug die Festtagskleidung ihrer Kindheit: einen weitausladenden bodenlangen Rock, dazu ein steifes cremefarbiges Oberteil mit bestickten Anschlußsteckdosen und einem runden kreisförmigen Halskragen. Sie schaute nach unten. »Margaret«, sagte sie. »Deine Füße!«
    Margaret Juliano blickte desinteressiert auf den getrockneten Schlamm, der von ihren Stiefeln abblätterte. »Oh, du liebe Güte. Tut mir leid.«
    Die plötzliche Konstellation der beiden Frauen verursachte Lindsay ein starkes Schwindelgefühl. Aus irgendeinem versteckten drogendumpfen Zerebralwinkel blubberte die trübe schmuddelige Blase eines Déjà-vu herauf, und sekundenlang glaubte er, daß er gleich bewußtlos werden müsse. Als er sich erholt hatte, konnte er deutlich feststellen, daß es ihm besser gehe, als sei ein lähmender Schlick aus seinem Kopf herausgesickert und als herrsche dort nun Helligkeit und Freizügigkeit. »Alexandrina«, sagte er. Er hatte ein Gefühl deutlicherer Schwäche, aber zugleich auch, als sei er stärker real da. »Du warst ... Zeit? Ganz ... da ... hier?«
    »Abélard«, sagte sie überrascht. »Du sprichst ja!«
    »Versuch ich zu ...«
    »Ja, ich habe gehört, daß es dir besser geht. Darum hab ich dir ein paar Sachen zum Anziehen mitgebracht. Aus dem Museumsfundus.« Sie hielt ihm einen in Plastik verpackten Anzug vor die Augen, ein antikes Stück. »Siehst du? Tatsächlich ist das sogar einer deiner eigenen Anzüge - vor fünfundsiebzig Jahren hast du ihn getragen. Einer von den Plünderern hat ihn beim Überfall auf euer Gut Lindsay gerettet. Probier ihn doch mal an, mein Guter ...«
    Lindsay fuhr über den steifen, altersbrüchigen Stoff. »Genau richtig ... ein Museumsstück«, sagte er.
    »Ja, aber natürlich doch.«
    Margaret Juliano schenkte Alexandrina einen Blick . »Aber vielleicht würde er sich wohler fühlen, wenn er eine Pflegeruniform bekäme, was ganz Gewöhnliches. Dann könnte er wesentlich leichter mit dem Background verschmelzen. Mimikry. Die Lokalfärbung annehmen,«
    »Nein!« sagte Lindsay. »Geht in Ordnung. Ich werd das Ding da anziehen.«
    »Alexandrina hat sich so auf diesen Augenblick gefreut«, vertraute ihm Dr. Juliano wispernd an, während er sich in die Hosen des Anzugs hineinzwängte, seine nackten Füße durch die drahtversteiften Harmonika-Knie nach unten stieß. »Sie ist jeden Tag hergekommen und hat dich mit echten Tyler-Äpfeln gefüttert.«
    »Weißt du, ich hab dich nach dem Duell hierhergebracht«, sagte Alexandrina. »Unser Ehevertrag war zwar abgelaufen, aber ich hab jetzt die Leitung im Museum. Ich habe einen offiziellen Posten hier.« Sie lächelte. »Sie haben die Häuser auf dem Land geplündert... aber die Obstgärten sind noch da und tragen Frucht. Und deine Großtante Marietta, die hat doch immer Stein und Bein auf die Familienäpfel geschworen.«
    Als Lindsay das Hemd überzog, brach ein Saum an der Schulter.
    »Du hast diese Äpfel runtergeschlungen, mitsamt der Stengel und Blütennarbe und Kerngehäuse«, erklärte Juliana. »Es war ein echtes Wunder.«
    »Jetzt bist du wieder daheim, Alexa«, sagte Lindsay. Das war es, was sie sich stets ersehnt hatte. Er freute sich für sie.
    »Das hier war früher das Tyler-Haus«, sagte Alexandrina. »Jetzt sind im linken Flügel und auf dem Parkgelände die Klinikeinrichtungen; das besorgt Margaret. Ich bin hier Kurator. Ich kümmere mich um den Rest. Ich habe sämtliche Erinnerungsstücke an unsern alten Lebensstil zusammengetragen, also alles, was die Umerziehungsbrigaden Constantines übriggelassen haben.« Sie half ihm, das mit einem Raumanzugskragen versehene Dinnerjackett über den Kopf zu streifen. »Komm mal mit, ich zeig dir alles.«
    Dr. Juliano stieß ihre Stiefel von den Füßen und stellte sich auf ihre zerknautschten Socken. »Ich komme mit. Ich will mir ein Urteil über seine Reaktionen bilden.«
    Der große Ballsaal war zu einem Ausstellungsraum umfunktioniert worden, in dem unter Glas Exponate und die Porträts urzeitlicher Clan-Ahnen zur Schau gestellt waren. Von

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