Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling

Vom Netzwerk:

meiner in die Falle getappt.«
    »Vera und ich hatten darüber gesprochen«, sagte Constantine. »Sie hat gemeint, daß du nicht durchhalten würdest, daß du unseren Pakt nicht erfüllen würdest. Sie kannte deine Schwachpunkte. Ich auch. Und ich züchtete diese Motten mit Giftstacheln. Die Revolution braucht eigene Waffen. Ich gab Vera die Pheromone, durch die die Tiere zur Raserei getrieben wurden. Und sie nahm sie freudig.«
    »Du hast mir also nicht vertraut«, sagte Lindsay.
    »Genau. Und du bist ja auch nicht tot.«
    Lindsay schwieg dazu.
    »Da, schau dir dies an!« Er streifte einen seiner Laborhandschuhe ab. Die zum Vorschein kommende Haut war schuppig und schälte sich wie die eines Reptils. »Es ist ein neues Virus«, sagte er. »Bedeutet die Unsterblichkeit. Eine Shaper-Entwicklung aus den Zellen selbst, keine von diesen Mechano-Prothesen. Ich bin verdammt, Cousin.«
    Er hob ein elastisches Hautfetzchen hoch. »Vera hat dich mir vorgezogen. Und ich werde ewig leben, und du kannst zum Teufel gehen mitsamt deinem frommen Genöle über die Menschheit und Menschheitswerte. Der Mensch ist inzwischen erledigt, eine evolutionäre Fehlentwicklung. Es gibt keine Seelen mehr. Nur Bewußtseinszustände, Cousin. Und wenn du glaubst, du kannst das bestreiten, dann da, nimm das!« Er reichte Lindsay ein Seziermesser. »Beweise dich. Liefere mir den Beweis, daß du nicht nur leeres Geschwätz von dir gegeben hast. Beweise mir, daß es besser ist, tot zu sein, aber menschlich.«
    Lindsay hielt das Messer in der Hand. Er stierte auf die Haut an seinem Handgelenk. Er starrte auf Constantines Hals. Er hob das Skalpell über den Kopf, zielte und schrie laut.
    Der Schrei weckte ihn, und er kam zu sich in der Krankenstation, in Schweiß gebadet, und Judge-2 streichelte mit besoffenen Augen und einer venenübersäten Hand die Innenseite von Lindsays Schenkel.

    AN BORD DER ›RED CONSENSUS‹: 20-11-'16

    Der Dritte Angehörige des Repräsentantenhauses, oder kurz Rep-3, wie man ihn gemeinhin nannte, war ein untersetzter unablässig grinsender junger Mann mit narbiger Nase und kurzen sandblonden Bürstenhaaren.
    Wie viele EVA-Fachleute war auch er ein Weltraumfanatiker und hielt sich fast die ganze Zeit außerhalb des Schiffs auf, wo er sich von kilometerlangen Sicherungsleinen schleppen ließ. Die Sterne unterhielten sich mit ihm, und die Sonne war seine Vertraute. Den Raumanzug trug er beständig, sogar im Innern des Fahrzeugs, und durch den offenen Helmkragen stiegen die langfermentierten Körpergerüche mit tränentreibender durchdringender Schärfe auf.
    »Ich schick die Robodrohne raus«, erklärte er Lindsay beim gemeinsamen Essen in der Steuerzentrale. »Von hier aus kannste dich dranhängen, das ist dann fast so, wie wennde draußen wärst.«
    Lindsay schob den leeren Grünbreibehälter von sich. Die Drohne war eine betagte planetarische Automatensonde, die eine langvergessene Besatzung einst auf einer längstvergessenen Umlaufbahn entdeckt hatte, doch die Teleskope und die Kurzwellenantennen funktionierten noch, und das Ding konnte sogar noch senden. Hunderte von Klicks weit draußen an ihrem Faseroptikkabel konnte die unbemannte Drohne Sendungen aus dem tiefen Weltraum aufspüren und feindliches Radar durch elektronische Abwehrmaßnahmen irreführen ... »Na klar, Bürger«, sagte Lindsay. »Höllisch interessant.«
    Rep-3 nickte begeistert. »Das wird wundervoll, Minister ... Dein Hirn breitet sich so schnell so fein aus, daß du es wie 'ne zweite Haut spürst... «
    »Ich nehme aber keine Drogen«, sagte Lindsay vorsichtshalber.
    »Du kannst gar keine Drogen nehmen«, sagte Rep-3. »Wenn du Drogen nimmst, dann spricht die Sonne nicht mit dir.« Er nahm ein Paar Videoglotzer von der Konsole und justierte das Band über Lindsays Kopf. Im Innern der Sehschalen projizierte ein winzigkleines Videosystem Bilder direkt auf das Auge. Für den Moment war die Drohne nicht auf Sendung, und Lindsay sah nur quer über den unteren Sichtrand eine Reihe geheimnisvoller blauer alphanumerischer Videotexte laufen. Er hatte nicht das Gefühl, einen Schirm vor sich zu haben. »Bisher läuft's fein«, sagte er.
    Dann hörte er ein paar Klickgeräusche vom Keyboard, als Rep-3 die Sonde aktivierte. Darauf erbebte das ganze Schiff sacht, als die Robotersonde abhob. Lindsay hörte, wie sein Raumführer sich selbst ein Paar Sehkapseln aufsetzte, und dann sah er zum erstenmal die Außenseite der Consensus .
    Es war erbärmlich, wie