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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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sozusagen kennenzulernen.« Er zückte einen Bronzeinhalator und schnüffelte demonstrativ.
    »Hast du deinen Raumanzug selbst genäht?« fragte die Parlamentsvorsitzende.
    »Jawohl, Frau Vorsitzende. Die Säume sind Drahtfäden und Epoxydkleber aus unsren Wetware-Kanistern.«
    »Smart.«
    Rep-2 sagte: »Ich mag eure Kakerlaken. Rosa und golden und grün. Die sehen ja beinahe nicht wie Ungeziefer aus. Da hätte ich gern ein paar davon.«
    »Ich bin sicher, daß sich das einrichten lassen wird«, antwortete Nora.
    »Ich geb dir dafür ein paar Relaxer. Hab ich massenweise.«
    »Ich danke dir«, sagte Nora. Sie hielt sich blendend. Und Lindsay verspürte undeutlich so etwas wie Stolz auf sie.
    Sie zog den Verschluß ihres Raumanzugs auf und schälte sich aus der Hülle. Darunter trug sie einen dreieckig über die Schulter herabfallenden Poncho, der mit geometrischen Mustern in Weiß und Eisblau bestickt war. Die schmalen Enden des Ponchos waren um ihre Hüften geschnürt, so daß die Beine, bis auf die Schnürsandalen aus Velcro nackt waren.
    Taktvollerweise hatten die Piraten auf ihre rotsilbernen Trikotskelette als Kleidung verzichtet. Statt dessen trugen sie sandbraune Coveralls im Zaibatsu-Stil. Sie sahen darin wie Wilde aus.
    »So was könnte ich gut gebrauchen«, sagte der Rep-3. Er hielt den Harmonikaarm seines uralten Raumanzugs neben das feine Plastikmaterial an Noras Körper. »Wie steht es mit der Atemluft in dem Lolli?«
    »Taugt nicht für den tiefen Raum. Wir füllen ihn einfach mit reinem Sauerstoff und atmen, solange es geht. Zehn Minuten.«
    »Ich könnte Tanks an einen anschließen. War doch mehr spacepassend. Der Sonne würde das gefallen.«
    »Wir könnten euch beibringen, selber einen zu nähen. Das ist eine Kunst, die zu kennen sich lohnt.« Sie lächelte Rep-3 an, und Lindsay schauderte innerlich. Ihm war klar, wie sehr der Schweißgestank aus dem Anzug des Rep ihr den Magen umdrehen mußte.
    Er schwebte zwischen die beiden und schubste Rep-3 wie unabsichtlich beiseite. Und zum erstenmal berührte er dabei Nora Mavrides körperlich. Er legte sacht die Hand auf den weiß-blauen Poncho über ihrer Schulter. Der Muskel fühlte sich unter der Berührung starr wie ein Drahtgeflecht an.
    Wieder schenkte sie ihm ein rasches Lächeln. »Ich bin sicher, die andern werden das Schiff hier faszinierend finden. Wir kamen in einem Schlepp her. Unsere Fracht bestand zu neun Zehnteln aus Eis, für die Wetware-Tanks. Wir waren in der Paste, beinahe tot. Wir hatten unsern Roboter und unser Taschen-Tokamak. Der Rest waren diverse Kleinigkeiten. Draht, eine Handvoll Mikrochips, etwas Salz und Spurenelemente. Im übrigen Genetika. Eier, Samen, Bakterien. Wir kamen nackt hierher, um die Beschleunigungsmasse gering zu halten. Alles sonst haben wir mit unseren eigenen Händen gemacht, Freunde. Fleisch gegen Stein. Das Fleisch bleibt Sieger, wenn es klug genug ist.«
    Lindsay nickte. Ihr elektromagnetisches Pulsgeschütz hatte sie nicht erwähnt. Keiner sprach über die beidseitigen Waffen.
    Sie gab sich gewaltige Mühe, die Piraten zu becircen, aber ihr Stolz reizte sie. Der Stolz der »Familie« war durchaus berechtigt. Sie hatten sich aus dem Nichts zu Wohlstand hochgearbeitet, mit bakteriologischer Wetware aus Gelatinekapseln, die nicht größer waren als Nadelköpfe. Sie hatten Plastikmaterialien in den Griff bekommen; hatten sie einfach aus dem Felsbrocken herausgezaubert. Ihre Kunstprodukte waren so billig wie das Leben selber.
    Sie waren in den Felsen hineingewachsen ; hatten mit ihrer weichen Körperlichkeit sich in unnachgiebiger Hartnäckigkeit in ihn hineingebohrt. ESSAIRS war von Tunnels durchsiebt; ihre glattgenagten Tunnelringe waren rund um die Uhr in Betrieb. Aus Vinylsäcken und Spanten von Memory-Plastik hatten sie Luftgebläse gebastelt. Diese Rippen atmeten . Sie waren an die Tokamak-Fusionsanlage angeschlossen, und eine geringfügige Voltveränderung, veranlaßte sie dazu, sich zu beugen und zu strecken, auszudehnen und zusammenzuziehen und mit dem Pfeifen plastischer Lungen Luft anzusaugen und sie mit einem animalischen Schnaufen wieder auszuatmen. Im Innern des Felsbrockens die Geräusche des Lebens: das Rasseln der Reifenlungen, das Pusten der Gebläse, das trübe Gurgeln der Fermentiertanks.
    Und sie hatten Pflanzen. Nicht etwa nur Algen und Proteinpampe, sondern echte Blumen: Rosen, Phlox, Gänseblümchen - oder jedenfalls Pflanzen, die unter diesen Namen bekannt waren, ehe die Mikroskalpelle

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