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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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in ihre DNS eingegriffen hatten. Sellerie, Salatgewächse, Zwergmais, Spinat, Luzerne. Und Bambus: durch feine Drähte und unerbittliche Geduld konnten sie Bambusrohr zu komplizierten Röhren und Behältnissen verformen. Eier, denn sie hatten sogar Hühner - oder doch tierähnliche Dinger, wie es einst Hühner gewesen waren, bevor shaperische Genspalter sie in Proteinlieferanten für Weltraumbedingungen umgeformt hatten.
    Sie waren stark, erfinderisch und klug, und von einem verzweifelten Haß erfüllt. Lindsay wußte, sie warteten nur auf ihre Chance, wägten Vor- und Nachteile ab, kühl und berechnend. Sie würden zum tödlichen Angriff ansetzen, wenn es ihnen möglich war, jedoch nur dann, wenn sie die Chancen ihres eigenen Überlebens maximieren konnten.
    Doch er wußte gleichfalls, daß mit jedem Tag, der verging, mit jedem auch nur kleinen Stückchen von Konzession und Übereinkunft, eine weitere hauchdünne Firnisschicht über die offene
    Kluft zwischen ihnen gelegt wurde. Tag um Tag bildete sich mühsam ein neuer Status quo heraus, eine zerbrechliche Art Entspannung, die auf nichts weiter beruhte als auf Gewöhnung. Es war nicht viel, aber es war alles, was Lindsay zur Verfügung stand: die Hoffnung, daß im Laufe der Zeit der Scheinfrieden Substanz gewinnen und sich verfestigen werde.
     
    ESSAIRS XII: 3-2-'17
     
    »He, Außenminister!« Lindsay erwachte. In der geisterhaft unmerklichen Schwerkraft des Asteroiden war er, ohne es zu merken, auf den Boden der Höhle hinabgesunken. Sein Loch bezeichneten sie als »die Gesandtschaft«. Nach der Ratifizierung des Integrationsgesetzes war Lindsay - und der Rest der FMD - in den Steinasterioden übergesiedelt.
    Paolo hatte gesprochen, und Fazil war bei ihm. Die beiden jungen Männer waren in bestickte Ponchos gekleidet und trugen auf dem Kopf steife Plastikkronen, die ihre schulterlangen wehenden Haarmähnen zusammenhielten.
    Die Hautbakterien hatten ihnen übel zugesetzt. Von Tag zu Tag sahen sie scheußlicher aus. Nacken und Hals von Paolo waren dermaßen stark entzündet, daß es den Anschein erweckte, als habe man ihm die Kehle durchgeschnitten. Fazil hatte eine Infektion im linken Ohr und hielt beständig den Kopf schief.
    »Wir möchten dir was zeigen«, sagte Paolo. »Könntest du mitkommen, Mister Außenminister? Ohne Aufsehen?« Die Stimme war sanft, die haselgrünen Augen so klar und ohne Falsch, daß Lindsay sofort begriff, daß der Junge etwas vorhatte. Würden sie ihn umbringen? Nein, noch nicht. Lindsay verschnürte sich in einen Poncho und kämpfte dann mit den verzwickten Verknotungen seiner Sandalen. »Ich stehe zu euren Diensten«, sagte er. Sie schwebten in den Korridor. Die Verbindungen zwischen den Kavernen waren weiter nichts als lange Wurmgänge von einem Meter Durchmesser. Die beiden Mavrides-Clan-Klonburschen bewegten sich mit raschem eidechsenhaften Schwänzeln vorwärts. Lindsay war langsamer. Der verletzte Arm bereitete ihm heute Schwierigkeiten, seine Hand fühlte sich wie eine stumpfe Keule an.
    Sie glitten stumm durch das sanfte Gelblicht in einer der Fermentationskammern. Die stumpfen zitzenbesetzten Enden von drei Wetware-Säcken ragten in den Raum herein. Sie waren wie ein Wurststrang in Steintunnels gestopft. Jeder Tunnel enthielt einen Satz Säcke, die durch Filter verbunden waren, und jeder Schlauch transportierte seinen Ausstoß in den nächsten. Der Endsack hatte eine Spinndrüse am Laufen, eine mnemoplastische Maschine, die gemächlich vor sich hinschnatterte. Ein Hohltubus aus makellos klarem Acryl krümmte sich eingeweidehaft in die Schwerelosigkeit und stank beim Abtrocknen.
    Sie stiegen in einen anderen, diesmal einen schwarzen Tunnel. Die Gänge waren alle von gleichmäßiger Glätte; also war es nicht nötig, sie zu beleuchten. Jedes simple Genie war leicht in der Lage, sich die Verbindungen einzuprägen.
    Links von sich hörte Lindsay das langsame Bohrgeräusch eines Tunnelgrabers. Die Graber waren handgefertigt, ihre Bohrzähne manuell angeordnet und in Plastik verankert, und jeder hatte einen geringfügig andersartigen Ton. Das erlaubte Lindsay die Ortung. Durch das weichere Asteroidengestein konnten sie sich pro Tag zwei Meter weit voranfressen. Und in zwei Jahren hatten sie mehr als zwanzigtausend Tonnen Mineralgestein weggenagt.
    Nach der Verarbeitung des Erzes wurde die Spreu ins All geschossen. Alles Ausgestoßene hinterließ ein Loch. Ein zehn Kilometer langes Loch, pechschwarz und so verknotet wie eine

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