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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Sauerstoffballon an die Aufnahmeschnaupe des Anzugs. »Fordere bloß dein Glück nicht raus, Krüppel! «
    Kleo bewohnte das geräumigste Gewächshaus. Es war ein Ziergarten; hier wuchs alles langsamer als in den wurmlochengen Industriegärten, wo die Vegetation in reinem Kohlendioxid unter wachstumsfördernden Lampen üppig aufschoß. Es war ein länglicher Raum, und die Längswände wirkten geriffelt wie das Haus einer Seemuschel. Von fluoreszierenden Röhren entlang der Riffelung strömte grelles Licht.
    Der Boden bestand aus Minenabhub und wurde durch die Feuchtigkeit und ein Netz aus feinen Plastikmaschen festgehalten. Und wie die Shapers selbst, waren auch die Pflanzen genetisch verändert, so daß sie ohne Bakterien leben konnten. Es waren überwiegend Blumen: Rosen, Gänseblümchen, Ranunkeln, so groß wie Fäuste.
    Kleos Bett war ein überdachtes Himmelbett, eine Korbflechtarbeit aus gebogenem Bambus. Sie war wach und arbeitete an einem Stickrahmen. Die Haut war dunkler als die der übrigen Mitglieder der »Familie« - die Wachstumsleuchten hatten sie gebräunt. Sie trug einen ärmellosen weißen Kittel, in der Taille gegürtet, der in vielen feinen Falten gerafft war. Beine und Füße waren nackt. Über dem Herzen sah man ein gesticktes Rang-Logo.
    »Hallo, meine Liebe«, sagte sie.
    »Kleo.« Nora schwebte in das Korbgeflecht und küßte Kleo flüchtig auf die Wange. »Da er darauf bestand, habe ich ...«
    Kleo nickte knapp. »Ich hoffe, du wirst es kurz machen«, beschied sie Lindsay. »Mein Garten ist nicht für Ungeplante.«
    »Ich möchte über die Ermordung des Dritten Repräsentanten sprechen.«
    Kleo stopfte eine krause Locke unter das geflochtene Haarnetz zurück. Die Proportionen ihres Handgelenks, der Handflächen und Unterarme ließen erkennen, daß sie älter war als die übrigen, aus einem früheren Produktionsgang stammte. »Unsinn«, sagte sie. »Eine absurde Unterstellung.«
    »Ich weiß, daß du ihn umbringen ließest, Kleo. Vielleicht hast du es sogar selbst getan. Sei ehrlich mit mir.«
    »Der Tod dieses Mannes war ein Unfall. Es gibt keine gegenteiligen Beweise. Deshalb trifft uns keine Schuld.«
    »Ich bemühe mich, unser Leben zu retten, Kleo. Bitte verschone mich mit ideologischem Gewäsch. Wenn Nora die Wahrheit eingesteht, wieso kannst dann nicht auch du es tun?«
    »Was du mit unserem Unterhändler in einer Geheimsitzung diskutierst, Mister Außenminister, geht uns nichts an. Die Familie Mavrides kann und will nicht unbewiesene Behauptungen anerkennen.«
    »Ach, so ist das also?« fragte Lindsay hinter seiner Gesichtsplatte. »Jenseits eurer Ideologie existieren für euch keine Verbrechen? Und ihr erwartet von mir, daß ich mich dieser Fiktion anschließe, für euch lüge, euch beschütze?«
    »Wir sind dein Volk«, sagte Kleo und blickte ihn fest mit ihren klaren Haselnußaugen an.
    »Aber ihr habt meinen Freund getötet.«
    »Diese Annahme ist nicht beweisbar, Mister Außenminister.«
    »Das hat keinen Sinn«, sagte Lindsay. Er beugte sich vor, ergriff einen dornlosen Rosenstrauch und riß ihn mitsamt den Wurzeln aus. Dann schüttelte er die Pflanze; feuchte Erdbrocken flogen. Kleo war zusammengezuckt. »Da, sieh her!« sagte Lindsay. »Verstehst du immer noch nicht?«
    »Ich verstehe, daß du ein Barbar bist«, sagte Kleo. »Du hast etwas Schönes zerstört, nur um ein Argument zu unterstreichen, von dem du genau weißt, daß ich es nicht gelten lassen kann.«
    »Gib ein bißchen nach«, bat Lindsay. »Hab Erbarmen!«
    »Das ist nicht im Rahmen unseres Auftrags«, beschied ihn Kleo.
    Lindsay machte kehrt und ging. Direkt außerhalb der Luftschleuse schälte er sich aus dem feuchtklebrigen Raumanzug.
    »Ich hab dir ja geraten, es nicht zu versuchen«, sagte Nora.
    »Sie ist eine Selbstmörderin«, sagte Lindsay. »Warum? Warum folgt ihr ihr?«
    »Weil sie uns liebt.«
     
    ESSAIRS XII: 23-2-'17
     
    »Ich will dir was über Sex sagen«, sagte Nora. »Gib mir deine Hand.«
    Lindsay reichte ihr die Linke. Sie faßte ihn am Handgelenk, zog ihn nach vorn und steckte sich seinen Daumen tief in den Mund. Dort hielt sie ihn fest und gab ihn dann frei. »Beschreib mir, was du gespürt hast.«
    »Es war warm«, sagte Lindsay. »Naß. Und unangenehm intim.«
    »So ist Sexualität, wenn man unter Appetenzhemmern steht«, sagte sie. »In der ›Familie‹ gibt es Liebe, aber keine erotischen Spielchen. Wir sind Soldaten.«
    »Also sozusagen chemische Kastraten?«
    »Aus dir spricht ein

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