Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
grüne, saftig-violett gesprenkelte Kakerlake flog mit schnarrenden Flügeln vorbei.
    »Na, der, der immer den Raumanzug anhat.« Die beiden warfen einander Blicke zu. Lindsay las die Botschaft aus ihren Augen ab. Sie spielten auf den Gestank an, der von dem Menschen ausging.
    »Will er reden?« fragte Lindsay. »Schaltet ihn bitte rein.«
    »Der quasselt die ganze Zeit«, sagte Paolo. »Meistens singt er. Tobt in irgendeinen offnen Kanal rein.«
    »Der steckt in seinem neuen Raumanzug«, sagte Lindsay hastig. »Stellt ihn rein!«
    Er hörte den Rep-3 sprechen: »... bröselig, wie das Gesicht meiner Mutter. Traurig, daß ich meinem Freund Mars nicht ciao sagen kann. Schade auch um den Karneval. Ich bin kilometerweit draußen, und da ist dieses Zischen. Erst hab ich gedacht, es ist ein neuer Freund, der mit mir reden will. Ist es aber nicht. Ist nur ein kleines Loch an meinem Rücken, wo ich die Tanks eingeklebt hab. Die Tanks funktionieren prima, aber das Loch noch besser. Ich und meine zwei Häute - bald sind wir alle beide kalt.«
    »Versucht ihn hochzukriegen!« sagte Lindsay.
    »Ich sag dir doch, er hält den Kanal offen. Dieses Ding ist zweihundert Jahre alt, mindestens. Er kann uns nicht hören, während er selber spricht.«
    »Ich werd mich nicht reinspulen, ich bleib hier draußen.« Die Stimme klang schwächer. »Keine Luft mehr zum Reden, und keine mehr zum Zuhören. Also versuch ich es eben und steig aus. Bloß so'n Reißverschluß. Wenn ich 'nen Hauch Glück habe, kann ich ganz aushäuten.« Leises Statikknistern. »Adieu, Sonne. Adieu, Sterne. Danke für ... «
    Der Rest verlor sich im Dekompressionszischen. Dann war das statische knisternde Rauschen wieder hörbar. Und es hörte und hörte nicht auf.
    Lindsay dachte die Sache durch. Dann sagte er leise: »War ich euer Alibi, Paolo?«
    »Was?« Paolo war entsetzt.
    »Ihr habt seinen Raumanzug sabotiert. Und dann wart ihr demonstrativ nicht hier, als ihr ihm noch hättet helfen können.«
    Paolo war bleich. »Wir sind doch niemals auch nur in die Nähe seines Raumanzugs gekommen, ich schwör es!«
    »Aber wieso wart ihr dann nicht hier, auf eurem Posten?«
    »Kleo hat mich drangesetzt!« schrie Paolo. »Ian macht den Punkt, der Würfel hat es so entschieden! Ich sollte dabei sauber bleiben!«
    »Halt das Maul, Paolo!« Fazil packte ihn am Arm.
    Paolo versuchte ihn durch wütende Blicke einzuschüchtern, dann wandte er sich an Lindsay. »Kleo und Ian, die sind es. Denen stinkt es, daß ich soviel Glück habe ...« Fazil schüttelte ihn hin und her.
    Paolo schlug ihm heftig ins Gesicht. Fazil schrie auf und schlang die Arme in festem Griff um Paolo, drückte ihn heftig an sich.
    Paolo schaute schuldbewußt drein. »Ich war durcheinander«, sagte er. »Ich hab gelogen, bei dem mit Kleo; sie liebt uns alle. Die Sache war ein Unfall. Ja, ein Unfall.«
    Lindsay ging weg. Mit dem Kopf voran hangelte er sich durch die Tunnels. Er kam an noch mehr Wetware vorbei und an einem Treibhaus, aus dem ein Gebläse den Duft von frischgemähtem Gras verbreitete.
    Er gelangte in eine Kaverne, in der staubigrote Glühlichter jenseits einer gasdurchlässigen Membran leuchteten. In einer Abzweigung von dieser Höhlung befand sich Noras Quartier, hinter dem pfeifenden Wulst ihres persönlichen Luftschlauchs fast abgeblockt. Während der Exhalationsphase quetschte Lindsay sich daran vorbei und schlug gegen die Lichter.
    Die Rundwandung des Raums war von violetten Arabeskenmustern bedeckt. Nora schlief.
    Ihre Arme, ihre Beine waren in Drähten gefestigt. Handgelenke und Ellbogen, Knie und Fußknöchel steckten in Fesselklammern. Schwarze Myoelektroden klebten wie Mitesser auf den Muskelsträngen unter der nackten Haut. Arme und Beine bewegten sich ruhig im gleichen Takt, seitwärts, seitwärts, vorwärts, zurück. Auf dem Rücken ein langer knubbeliger exosklettaler Stützpanzer über den Ausläufern der Nervenknotenpunkte ihres Rückgrats.
    Eine Diplomatentrainingsapparatur. Ein Spinalphthirus. In Lindsays Augenhintergrund blitzte Erinnerung auf, und er drehte durch. Er stieß sich von der Wandung ab und schoß auf die Frau zu. Als er wütend auf sie einzubrüllen begann, zuckten die Augenlider träge und öffneten sich.
    Er packte sie am Hals und riß sie nach vorn, er grub die Fingernägel in den Gummisaum, dort, wo die Spinalwanze an ihre Haut stieß. Er zerrte wild und wütend. Ein Teil löste sich. Die Haut darunter schimmerte rot und war schweißglatt. Lindsay packte das

Weitere Kostenlose Bücher