Schismatrix
stiegen zwei Kugeln seines Blutes auf. Geblendet nieste er, und Fazil trat ihm mit dem Fuß gegen den Hals. Er mußte seinen Griff lösen, und der Shaper griff sofort an.
Mit der Kraft, die nur panischer Verzweiflung entspringen kann, warf er Lindsay die Arme um die Brust. Lindsay keuchte und während vier lauter Herzschläge wollte ihn schwarze Bewusstlosigkeit fast überwältigen. Dann trat er wild um sich, und sein Fuß stieß auf den Rand des Stützgerüsts der Luftschleuse.
Einander umklammernd wirbelten sie umher. Lindsay trieb den Ellbogen seitlich gegen den Kopf des Shapers. Der Griff lockerte sich. Lindsay schwang den beweglichen Arm über Fazils Kopf hinweg und drückte ihm den Hals mit einem Zwingengriff zu. Fazil seinerseits drückte ebenfalls zu, und Lindsays Rippen bogen sich unter dem Druck der shaper-gestählten Arme.
Dann fing Lindsay durch die blutbespritzte Sichtscheibe Fazils Blick ein. Lindsays Gesicht verzog sich zu einem scheußlichen Ausdruck. Fazils Augen wurden vor Entsetzen ganz weit und schielten, und er mühte sich, sich durch Krallen und Kratzen zu befreien. Lindsay brach ihm das Genick. Lindsay keuchte heftig. Die Anzüge waren ohne Lufttanks; sie waren nur für kurze Aufenthalte im luftleeren Raum gebaut. Er mußte hier raus und in die Luft.
Er wandte sich dem Ausgang der Schleuse zu. Dort erwartete ihn Kleo. Ihre Augen waren dunkel vor fasziniertem Entsetzen. Sie hielt die Außenlasche des Reißverschlusses fest.
Lindsay starrte sie an. Er mußte blinzeln, weil ein Bluttröpfchen sich an seinen Wimpern festgesetzt hatte. Und Kleo zückte ihre Lieblingswaffe: eine Nadel und Faden.
Lindsay kickte sich von Fazils Leichnam frei. Schwerfällig grapschte er nach der Verschlußlasche. Mit einigen wenigen geschickten Bewegungen vernähte Kleo den Reißverschluß.
Lindsay zerrte wie rasend daran. Aber der feine rosa Faden war stark wie Stahldraht. Er schüttelte den Kopf. »Nein!« Um ihn herum: das Vakuum. Er war abgeschnitten; Worte, die sonst stets die Rettung für ihn bedeutet hatten, vermochten diese Kluft nicht zu überspringen.
Sie blieb wartend da, um ihn sterben zu sehen. Droben raste das LED durch die Anzeigen. Die Lichter wurden blasser. Ein Abschuß aus der Ekliptik erforderte volle Energie.
Linkshändig zerrte Lindsay an der Schleuse. Durch die Finger kam eine kaum merkliche Vibration. Er trat dreimal wütend und heftig gegen die Schleuse, und etwas gab nach. Er zerrte mit aller Kraft. Das Schott öffnete sich - einen Finger breit.
Die Sicherungen brannten durch. Und alle Lichter erloschen.
Danach ließ sich die Schleuse leicht öffnen. Die Finsternis war total.
Er wußte nicht, wie lange es dauerte, bis der kreisende Startkorb innerhalb des Rings knirschend zum Stillstand kommen werde. Wenn der noch immer mit Klicks/sec. vorbeiwirbelte, würde er ihm einen Arm oder ein Bein so säuberlich wegscheren wie ein Laserstrahl.
Er hatte nicht die Zeit, lange zu warten. Die Luft in seinem Anzug war schwer und stickig von seinem Atem und dem Geruch seines Blutes. Er entschloß sich also und steckte kurzerhand den Kopf in den Ring.
Und er lebte.
Jetzt stand er vor einem weiteren Problem. Der Korb ruhte irgendwo innerhalb des Ringes und blockierte ihn. Wenn er auf seinem Weg nach draußen darauf stoßen sollte, würde er kehrtmachen müssen und Atemluft vergeudet haben. Also: Links oder rechts?
Links. Er atmete nur flach. Er schonte den Arm. Er hüpfte die Innenseite des Ringes entlang. Die Arme barg er an der Brust, bewegte sich nur mittels der Beine voran, stieß sich ab, schlug Saltos, schlitterte.
Dreihundert Meter - der halbe Ring. Mehr würde er nicht vordringen müssen. Was aber, wenn das Tarnplastik die Mündung des Ringes verschlossen hielt? Was, wenn er, ohne es zu merken in der Finsternis und Schwärze am Ausgang bereits vorbeigekommen war?
Sternenlicht! Lindsay sprang wie irre hoch, und es fiel ihm erst im letzten Moment ein, sich am Rand abzufangen. ESSAIRS hatte eine so geringe Schwerkraft, daß er sich mit seinem Sprung in einen Zirkumsolarorbit katapultiert haben würde. Wiederum war er also außerhalb des Asteroiden und inmitten verkohlter und grauweißer Aschensümpfe.
Er hoppelte durch einen Schildkrater und schaffte beinahe die andere Kante nicht. Während er über ein Bimssteinfeld stolperte, zerbröselte der Fels unter seinen Fingern und begann langsam dicht über dem Grund zu kreisen.
Er rang nach Luft, als er die zweite Luftschleuse fand: eine
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