Schismatrix
Vakuum.«
Durch den Korridor hallte ein Pochen. Es war während des Stimmgewirrs unmerklich nähergekommen. Es pflanzte sich mit schwacher rhythmischer Präzision fort, das stumpfe Klicken von Plastik auf Stein.
»Ach, Scheiße«, sagte der Präsident.
»Ich geh hin«, sagte der Oberrichter.
»Das ist weiter nichts«, sagte Senator-3. »Ein Gebläse, das sich abschaltet.« Lindsay hörte den Werkzeuggurt der Senatorin klirren.
»Ich bin weg«, sagte der Oberrichter. Lindsay verspürte einen schwachen Lufthauch, als der Alt-Mechano an ihm vorbeischwebte.
Fünfzehn Sekunden verstrichen in Finsternis. »Wir brauchen Licht«, zischte die Parlamentsvorsitzende. »Ich nehm noch mal die Säge und ... «
Das Pochen brach ab. Der Oberrichter rief laut: »Ich hab es! Es ist ein Stück ...«
Ein plötzliches ekelhaftes Knirschen schnitt ihm die Stimme ab.
»Richter!« schrie der Präsident. Alles stürzte den Gang entlang, blindlings gegen die Wand und gegen einander prallend.
Als sie die Stelle erreicht hatten, zog die Parlamentsvorsitzende ihre Säge hervor, und Funken sprühten. Das Geräusch stammte von einer einfachen steifen Plastikklappe, die über den Eingang eines abzweigenden Tunnels geklebt war und an der man mittels einem langen Faden zog. Der Mörder - Paolo - hatte tief im Innern des Gangs gelauert. Als er die Stimme des alten Mechanisten hörte, hatte Paolo sein Geschoß abgefeuert, mittels einer Schleuder. Ein schwerer Steinkubus - Paolos sechsflächiger Würfel - steckte halb in dem aufgesplitterten Schädel des toten Piraten.
In dem knappen grellen Funkenlicht erkannte Lindsay, daß den Kopf des Toten eine flache Blutmasse bedeckte, die durch Oberflächenspannung an der Haut um die Wunde haftete.
»Wir könnten weggehen«, sagte Lindsay.
»Nicht ohne das, was uns gehört«, sagte der Präsident. »Und nicht ohne den zu bestrafen, der dies getan hat. Die haben jetzt nur noch fünf Mann übrig.«
»Vier«, korrigierte Lindsay. »Ich habe Fazil erledigt. Und nur noch drei, wenn ich mit Nora reden kann.«
»Keine Zeit mehr für Gerede«, sagte der Präsident. »Du bist verwundet, Außenminister. Also bleib hier und bewache die Luftschleuse. Wenn die andern zu dir stoßen, sag ihnen, wir sind losgezogen, um die restlichen vier zu erledigen.«
Lindsay mußte sich zwingen, weiterzusprechen. »Wenn aber Nora sich ergibt, Mister President, dann hoffe ich, daß du ...«
»Gnade, das war sein Ressort«, sagte der Präsident. Lindsay hörte, wie er an dem Körper des toten Richters zu zerren begann. »Hast du eine Waffe, Außenminister?«
»Nein.«
»Dann nimm das da!« Er reichte Lindsay den mechanischen Arm des Toten. »Wenn einer von denen sich hierher verirrt, dann töte ihn mit der Faust des alten Mannes.«
Lindsay umklammerte die Kabelstränge an dem steifen Handgelenk der Prothese. Die anderen verschwanden hastig, mit einem Klicken, einem Rascheln, dem leisen Schaben von schwieliger Haut gegen Stein. Lindsay schwebte durch den Tunnel zurück zur Luftschleuse hinauf, stieß sich mit Knien und Schultern die glatte Steinwandung entlang und dachte an Nora.
Die alte Frau wollte nicht sterben, und das war das Grauenvolle an der Sache. Wenn es so sauber und rasch gegangen wäre, wie Kleo es versprochen hatte, Nora hätte es ertragen, hätte es ausgehalten, wie sie immer alles zu ertragen pflegte. Doch als sie die gewichtbeschwerte Schärpe in der Finsternis der alten Piratin um den Hals geschleudert und zugezogen hatte, war das gar nicht schnell gegangen, und es war keineswegs glatt und sauber verlaufen.
Das alte Weib - die Piraten nannten sie Richter-2 - ... der Hals war eine Masse aus Sehnen und Knorpeln, zäh wie Leitungskabel unter der täuschenden Weichheit der Haut. Zweimal, nachdem Nora geglaubt hatte, die Alte sei tot, war sie mit einem qualvollen Röcheln in der Dunkelheit zuckend wieder zum Leben erwacht. Von den abgebrochenen Nägeln der Alten blutete Nora heftig an den Handgelenken. Der alte Leib stank.
Nora roch auch ihren eigenen Schweiß. Ihre Achselhöhlen waren übersät von schmerzhaften Ausschlagpusteln. Sie trieb still im pechschwarzen Abschußkontrollraum, die nackten Füße auf den Schultern der Toten, und hielt in den Händen je ein Ende der Schärpe.
Sie hatte keinen guten Kampf gekämpft, als die Piraten in der plötzlichen Finsternis ihren Überraschungsangriff gestartet hatten. Sie hatte jemanden getroffen, als sie ihre Steinbola kreisen ließ, aber dann war sie ihr in
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