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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Tanztakelage zu schubsen. Mehrere waren bereits gefallen und klammerten sich an anderen fest, während sie unsicher in der Halbschwerkraft baumelten.
    Übermütige Kinder, dachte Lindsay. Bald würden viele davon gleichfalls vermählt sein; aber nur wenigen war wohl die bequeme Verflechtung von Liebe und Politik vergönnt, wie Fernand sie geboten bekam. Sie waren Bauern in dem dynastischen Schachspiel ihrer Älteren, und dort bestimmten Geld und Genmaterial die Spielregeln.
    Er betrachtete sich die Menschenmenge mit dem knappen kritischen Blick, den er sich in dreißigjähriger Erfahrung mit einem Shaper-Publikum angeeignet hatte. Einige waren hinter Gartenbäumen versteckt, in einem zentral gelegenen Rechteck voll üppiger Grünpflanzen inmitten der mosaikgepflasterten Patioterrassen. Vier Mavridesbalgen quälten einen der Servoboter. Die Maschine wollte sich einfach nicht dazu herablassen, die Drinks zu verschütten, obwohl die Kinder an ihr zerrten und sie zu Fall zu bringen versuchten. Lindsay machte in der gemäßigten Schwerkraft einen Satz nach oben, um über den »Garten« hinauszuschauen.
    Gegenüber schien sich ein Streit anzubahnen: ein Halbdutzend Shapers hatte einen Mann in schwarzem Coverall umringt. Das roch nach Ärger. Lindsay ging zum Dachsteig über dem Garten und sprang an die Decke. Er zog sich über den Pfad mit der Leichtigkeit langer Übung, indem er sich geschickt an Knöpfen und Fußnischen abstützte. Einmal war er gezwungen innezuhalten, während ein Pulk von drei Gören unter aufgeregtem Kichern an ihm vorbei und über ihn hinwegschoß. Seine Ärmelspitze hatte sich erneut gelöst.
    Auf der anderen Seite ließ sich Lindsay zu Boden fallen. »Ach, schieß die Ärmel in den Wind«, brummte er. Mittlerweile sahen alle ein bißchen zerrupft aus. Er strebte der Gruppe der Streitenden zu.
    In der Mitte des Kreises stand ein junger Mechano. Er hatte einen gutgeschnittenen Satinoverall an, mit schwarzer Schnurlitze und einer Andeutung von Shaperspitze am Halsausschnitt. Lindsay erkannte den Mann: ein Schüler Ryumins, der mit der neuesten Kabuki-Intrasolar-Truppe angekommen war. Er lief unter dem Namen Wells. Wells wirkte frech, aufmüpfig, wie ein Sundog: kurze festgeklebte Haare, unruhige Augen, die breitbeinige Haltung des an Schwerelosigkeit Gewöhnten. Auf den Schulterklappen seines Coveralls trug er das Piktogramm der Kabuki-Maske. Er wirkte betrunken.
    »Das ist doch ein ganz und gar klarer Fall«, sagte Wells laut. »Als sie die Investoren als Vorwand benutzt haben, um dem Krieg ein Ende zu machen, war das eine Sache. Aber die unter uns, die diese Aliens seit der frühesten Kindheit kennengelernt haben, die können die Wahrheit erkennen. Das sind keine gütigen Heiligen und Heilsbringer. Sie haben nur aus Gewinnsucht mit uns gespielt.«
    Die Gruppe hatte Lindsay bisher noch nicht bemerkt. Er hielt sich etwas im Hintergrund, um ihre Kinesispotenziale abzuschätzen. Die Sache war bitterernst: denn die Shapers waren Afriel, Besetzny, Warden, Parr und Leng... Seine, Lindsays, Examinanden in AlienLinguistik. Dem Mechano hörten sie mit höflicher Verachtung zu. Es war offensichtlich, daß sie es für unter ihrer Würde gehalten hatten, ihm klarzumachen, wer sie waren; allerdings war ihr Rang durch die Doktorandenrobe eindeutig klargestellt.
    »Du meinst also nicht, daß sie sich einigermaßen um die Detente verdient gemacht haben?« Das hatte Simon Afriel gesagt, ein kaltblütiger, militanter junger Pragmatiker, der bereits seine Furchen im Akademisch-Militärischen Komplex der Shapers zu ziehen begonnen hatte. Einmal hatte er Lindsay gegenüber sich zu dem Geständnis hinreißen lassen, daß er eine Stellung im Diplomatischen Dienst bei den Außerirdischen anstrebe. Aber das wollten sie sicherlich allesamt: denn zweifellos mußte es unter den bekannten neunzehn verschiedenen Alien-Rassen eine geben, mit der die Shapers feste und enge Beziehungen aufnehmen konnten. Und ein Diplomat, der mit ungetrübtem, gesundem Verstand von einem solchen Auftrag nach Hause zurückkehrte ... dem würde die Welt zu Füßen liegen.
    »Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Entspannung, sozusagen erstklassiger Detentist«, sagte Wells. »Mir liegt nur dringlich am Herzen, daß die Menschheit, alle Menschen , auch etwas davon haben. Seit dreißig Jahren haben uns die Investoren ausgekauft, verhökert und verschaukelt. Kennen wir eines von ihren Geheimnissen? Haben wir ihren Stardrive? Was wissen wir über

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