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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ihre Vergangenheit? Nichts. Nein, statt uns zu informieren, baumeln sie uns Spielzeug vor der Nase herum und geben uns als Bonbons ihre überteuerten Lustreisen zu den Sternen. Diese beschuppten, schoflen Trickbetrüger haben sich auf die menschlichen Schwächen wie auf eine Beute gestürzt, sie haben unsere Schwäche und Zersplitterung ausgenützt. Ich bin nicht der einzige, der so denkt. Es gibt heute in den Kartellen eine junge Generation, die ...«
    »Worum geht es denn eigentlich?« Das kam von der Besetzny, einer jungen Frau aus wohlhabendem Haus, die neben Investorisch acht weitere Fremdsprachen beherrschte. Sie stellte mit ihren geschlitzten, ungebundenen Ärmeln und dem samtigen Flügelkopfputz sozusagen das Idealbild des junge shaperischen Glamourgirls dar. »In den Kartellen sind eure Alten in der Überzahl. Sie würden mit uns umgehen, wie sie es immer und ewig getan haben; das ist nun mal ihre eingefahrene Routine. Ohne die Investoren, die uns schützen ... «
    »Genau darum geht es ja, Doctor-Designata.« Wells war also wohl kaum so betrunken, wie es den Anschein erweckte. »Wir sind Hunderte, die sich danach sehnen, daß die Ringe ihre wahre Bedeutung erkennen. Ihr seid nicht ohne Bewunderer, müßt ihr wissen. Wir haben dreifach übertragene Ringmoden bei uns, Ringkunst aus vierter Hand, alles ganz geheim weitergereicht. Es ist ein erbärmlicher Zustand! Und wir hätten einander so viel zu bieten ... Aber die Investoren haben aus dem Status quo soviel wie möglich herausgepreßt. Sie haben inzwischen sogar schon angefangen, Kriegshetzern Vorschub zu leisten: denkt an die Beschneidung der Interflights im Ring-Kartell, an die Meistbegünstigungskriege ... Ihr müßt eins wissen: Die bloße Tatsache, daß ich hierher gekommen bin, kann genügen, mich für mein Leben zu brandmarken, möglicherweise sogar als Spion für den RingSicherheitsdienst: als ein Bakterion, ein Stäbchen, wie ihr das wohl nennt? Ich werde nie wieder einen Fuß in ein Kartell setzen können, ohne von zahllosen Augen argwöhnisch überwacht zu sein ...«
    Afriel rief laut: »Guten Abend, Captain-Doktor.« Er hatte Lindsay gesichtet.
    Um das Beste aus der Situation zu machen, schlenderte Lindsay einfach auf sie zu. »Schönen Abend, doctorandi . Und Mister Wells. Ich will nicht hoffen, daß ihr euch von jugendlichem Zynismus die gute Laune versauern laßt. Dies ist ein freudiger Anlaß ...«
    Doch Wells war mittlerweile nervös geworden. Alle Mechanos fürchteten sich entsetzlich vor Agenten des Ring-Sicherheitsdienstes; dabei war ihnen überhaupt nicht bewußt, daß der Akademisch-Militärische Machtkomplex das shaperische Leben derart gründlich durchwachsen hatte, daß auf die eine oder andere Weise ein Viertel der Bevölkerung den Sicherheitssystemen angehörte. Besetzny, Afriel und Parr etwa, alle drei voll Begeisterung Führer in der paramilitärischen Jugendorganisation Goldreich-Tremaines, bedeuteten für Wells eine weitaus gefährlichere Bedrohung als Lindsay mit seinem nur widerwillig übernommenen Captain-Rang. Wells aber war dermaßen von Mißtrauen wie von einer galvanischen Schicht überzogen, daß er nichts als dümmliche Nichtigkeiten hervorstottern konnte, bis Lindsay ihn einfach stehenließ.
    Das Furchtbarste aber war, daß Wells völlig recht hatte. Die Shaper-Studenten wußten es. Jedoch waren sie eben nicht dazu bereit, ihre hart erarbeitete Doktorandenposition dadurch aufs Spiel zu setzen, daß sie in der Öffentlichkeit einem naiven Mech zustimmten. Niemand konnte ohne garantierten Nachweis seiner makellosen Ideologietreue vom Ring Council ein Unbedenklichkeitsvisum für den Aufenthalt auf andren Sternen erhalten.
    Selbstverständlich waren die »Investoren« Profithaie. Selbstverständlich war mit ihrer Ankunft nicht das »Tausendjährige Reich« angebrochen, mit dem die Menschheit gerechnet hatte. Diese Investoren waren noch nicht einmal besonders intelligent. Das machten sie teilweise durch eine unverdrossene gußeiserne Impertinenz wett und durch eine elsternhaft diebische Gier nach glitzerndem Beuteplunder. Diese Wesen waren wahrlich einfach zu habgierig, als daß irgend etwas sie in ihrer Raffsucht hätte verwirren können. Sie wußten, was sie wollten, und damit besaßen sie einen entscheidenden Vorteil.
    Sie hatten ein überlebensgroßes Image angenommen. Lindsay hatte eben dasselbe getan, als er und Nora ihre Asteroiden-Todesfalle gegen einen dreimonatigen Sprachkursus und ein Frei-Ticket zum Ring

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