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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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Freude höre ich bei einer psychiatrischen Fachkonferenz, dass die Klinikleitung beim Neubau eines psychiatrischen Krankenhauses auch an eine schöne Cafeteria für die Patienten gedacht hat.

    In der Zwischenzeit muss ich mich um Lenas Wohnung und um ihren Kater Raymond kümmern. Das völlig hysterische Tier lässt sich von mir nicht einfangen, und ich muss eine Katzenfängerin organisieren. Als sie den Zustand der Wohnung sieht, erklärt sie besorgt, dass die arme Katze auf keinen Fall Lena zurückgegeben werden dürfe. Das sei für das Tier unzumutbar. Ihre Sorge gilt mehr dem kleinen Kater als einer psychisch kranken jungen Frau. Aber Lena ist glücklich mit Raymond, und ich bin überzeugt davon, dass das Tier Lena guttut. Nicht ohne Grund gibt es inzwischen Stationen, in denen Stationshunde angeschafft werden, weil das Spielen und die Fürsorge den Patienten Freude macht und ihnen dabei hilft, etwas aus sich herauszukommen

    Die Gesundheitsreform hat die Verweildauer in Kliniken, auch von psychiatrischen Patienten, verkürzt. Die Betten müssen so schnell wie möglich wieder frei gemacht werden, erzählt mir ein Chirurg. »›Blutige Entlassung‹ nennen wir das«, meint er heiter. »Blutig« wird Lena nicht entlassen, aber sie ist auch noch keineswegs gesund. Das sieht auch ihre Ärztin Frau Dr. S. so. Deswegen möchte sie, dass Lena im Anschluss noch eine Tagesklinik besucht. Widerwillig geht Lena zwei Wochen lang hin, dann bekomme ich wieder einen Anruf. Mittlerweile fängt mein Herz schon an zu rasen, wenn das Telefon klingelt. »Lena ist seit einer Woche nicht mehr in der Tagesklinik erschienen. Wissen Sie, wo sie ist?« Frau Dr. S. klingt besorgt. Nein, ich weiß es auch nicht. Lena reagiert nicht auf Anrufe, und ich gehe auch nicht mehr in ihre Wohnung, weil ich Angst vor ihrer Reaktion habe. Außerdem dachte ich, dass sie in der Tagesklinik gut aufgehoben sei. Die Ärztin kann den Platz für Lena nicht mehr lange freihalten. Wenn Lena noch eine Woche fehle, dann sei der Platz weg. Voller Sorge fahre ich zu Lena, und sie macht sogar auf. Ich übersehe den Zustand der Wohnung. Die zerbrochene Balkontür und das Fenster sind repariert, aber alles andere sieht schon wieder genauso aus wie vor dem Großputz, den ich organisiert hatte. Ich frage Lena nach der Tagesklinik. »Es ist ganz entsetzlich da, Mami, ich gehe da nicht mehr hin. Da sind diese ganzen Depressiven, die sind natürlich brav und angepasst und sagen nichts. Die tun alles, was diese blöden Ergotherapeuten und Schwestern sagen. Wir Maniker werden da total unterdrückt. Wir sagen eben, was uns nicht gefällt, und das passt denen nicht. Die sind da mit uns überfordert. Ich mache doch diese blöden Gruppen nicht mit. Ich habe keine Lust, denen zu erzählen, wie ich mich fühle . Beschissen fühle ich mich, weil ich in diese doofe Tagesklinik muss und dann basteln soll. Seidenmalerei, so was Blödes, damit kann man mich jagen. Und dann spielen die immer so ein Spiel, das heißt ›Take it easy‹. Für Grenzdebile ist das und passt ja auch genau für uns verrückte Kranke. Und uns Maniker mag man dort eben nicht. Auch der andere Typ hat mir das gesagt, dem geht es da genau so. Diese blöden Depressiven, die machen mich wahnsinnig, die gucken immer so …« Ich unterbreche Lenas hektischen Redefluss und erkläre ihr, dass sie den Platz verliert, wenn sie nicht mehr hingeht.
    »Mir doch egal, ich will sowieso nicht …«, faucht sie.
    »Bitte, Lena, denk daran, dass es dir sonst wieder sehr schlechtgehen könnte. Versuch es doch bitte wenigstens noch eine Woche. Wenn du willst, spreche ich dort auch einmal mit den Schwestern und der Ärztin«, flehe ich sie an. Ich erzähle ihr nicht, dass ich schon wieder zwei wütende Anrufe von ihrer Nachbarin bekommen habe. Nach einer Stunde Überzeugungsarbeit erklärt sich Lena bereit, am nächsten Tag wieder in die Tagesklinik zu gehen.
    Eine Woche später ruft mich die Ärztin der Tagesklinik an, sie habe dringenden Gesprächsbedarf. Die Tagesklinik ist noch deprimierender als die geschlossene Station vorher. Braune Flure, abgewetzter Linoleumfußboden, geschlossene Zimmer, der typische Krankenhausgeruch. Ich klopfe pünktlich um 14 Uhr an die Tür von Frau Dr. R. Ein Kopf zeigt sich in der Tür und sagt herrisch: »Warten Sie bitte, ich rufe Sie schon auf!« Der Kopf verschwindet wieder. Ich warte zwanzig Minuten auf dem Holzbänkchen. Das Gespräch verläuft so wenig freundlich, wie es sich angebahnt

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