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Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition)

Titel: Schizophrenie ist scheiße, Mama!: Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Berg-Peer
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nützlichen Hinweise, auch kritische, sind genau das, was ich mir von Ärzten immer erhofft hatte. Frau Dr. S. erklärt mir auch, dass ich keineswegs dreimal die Woche vorbeikommen müsse, schon gar nicht, wenn ich es ungern täte. Das würde Lena spüren. Besser sei es, klare Abmachungen mit ihr zu treffen, die Zeit genau festzuhalten, und dann ein- bis zweimal zu kommen, eine Stunde sei ausreichend. Und natürlich müsse ich nicht jeden von Lenas Wünschen erfüllen. Sie werde krankheitsbedingt schnell wütend, wenn ihre Wünsche nicht unmittelbar erfüllt würden. Aber ihre Ansprüche wären in dieser Phase gar nicht zu befriedigen. Was immer ich kaufen würde, wäre niemals genug. Es würde sofort ein neuer Wunsch entstehen, der unmittelbar befriedigt werden müsste. Ich müsse ihre Ausbrüche aber nicht ertragen, es sei dann am besten, einfach wegzugehen. Es sei weder für Lena noch für mich gut, wenn ich selbst in schlechte Stimmung geriete und mich nur dazu zwingen würde, doch noch einen Kaffee mit Lena trinken zu gehen. Das teile sich Lena mit, und sie würde dann noch nervöser. Auch meine Therapeutin bestärkt mich darin, Lena klar und deutlich zu sagen, dass ich ein bestimmtes Verhalten nicht akzeptieren könne. »Nur dürfen Sie es ihr niemals übelnehmen«, fügt sie hinzu. »Es ist die Krankheit, es ist nicht Lena.« Es ist nicht leicht, diese Empfehlungen umzusetzen, aber ich spüre nach ersten Versuchen, dass es mir gelingt und sogar hilft. Allmählich werden meine Besuche bei Lena entspannter und für uns beide angenehmer.

Arbeitstherapie mit Kuchen
    Trotz der schweren Erkrankung darf Lena auch dieses Mal nicht länger als vier Wochen im Krankenhaus bleiben. Aber Frau Dr. S. will Lena nicht ins Leere entlassen. Sie organisiert eine Arbeitstherapie. Lena soll in einem kleinen experimentellen Kinoprojekt arbeiten, in dem Filme über Psychiatrie gezeigt werden. Wir freuen uns beide darauf. Im Sommer beginnt Lena, neun Stunden in der Woche zu arbeiten. Die ersten Wochen gefallen ihr, dann stellen sich wieder die Schwierigkeiten ein, die Lena in Arbeitszusammenhängen oft hat. Sie fühlt sich nicht zugehörig, sie ist ängstlich. Der französische Kinobetreiber unterhält sich mit den festangestellten Mitarbeitern häufig auf Französisch. Lena fühlt sich dadurch ausgegrenzt und glaubt, dass negativ über sie gesprochen werde. Die Räume sind klein, und Lena hat keinen eigenen Arbeitsplatz. »Ich weiß überhaupt nicht, wo ich mich hinsetzen soll, Mami«, klagt sie. »Es ist alles so eng, das ist schrecklich. Wenn man am Computer sitzt und einer will ins Badezimmer, dann muss ich aufstehen. Und niemand sagt mir, was ich tun soll. Mit den Kunden sprechen, das traue ich mich nicht. Ich kann noch nichts über die Filme und Regisseure erklären. Und dann gibt es nur einen Computer für sechs. Die schreiben doch wirklich noch Adressen per Hand auf die Briefumschläge! Ich wollte eine Datenbank einrichten, aber sie haben nicht mal ein Programm dafür!« Da Lena und ich nicht mal zum Einkaufen ohne Excel-Liste gehen und sie sowohl von ihrer Ausbildung als auch von ihrem letzten Job her eine andere Arbeitsweise gewohnt ist, ärgert sie das. Es fällt ihr schwer, sich mit der Situation abzufinden und die Arbeit so zu erledigen, wie es dort üblich ist. Vielleicht hat sie auch den Eindruck, dass ihre Kompetenz nicht genügend gewürdigt wird. Am meisten aber beschwert sie sich bei mir über die Arbeitsweise im Kino. »Weißt du, die sitzen jeden Morgen erst mal zusammen, und immer bringt einer Kuchen mit, schrecklich, und dann quatschen sie stundenlang. Und dann kommt nachmittags ein Freund vorbei, der bringt wieder Kuchen mit, und dann wird Französisch geredet. Und ich verstehe nichts und komme mir blöd vor. Und dann duzen wir uns und sollen alle gute Freunde sein, ich finde das furchtbar. Und der eine, der auch eine Arbeitstherapie macht, der kommt die Hälfte des Monats zu spät oder gar nicht, weil er sich nicht so fühlt. Und wenn er da ist, dann quatscht er nur. Der kriegt aber auch sein Geld dafür, ich finde das ungerecht.« Ich weiß nicht, ob Lenas Gefühl, nicht integriert zu sein, zu dieser Kritik führt. Was deutlich wird, ist, dass es ihr an Struktur fehlt. Sie möchte einen eigenen festen Arbeitsplatz und eine klare Aufgabe, die sie dann auch selbständig lösen will. Und sie möchte ihre Arbeit gut machen und dafür gelobt werden. Hinzu kommt, dass die für sie zuständige Sozialarbeiterin

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